Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Betriebsratsanhörung. subjektive Determination. Sozialauswahl. Vereinbarte Anrechnung der Betriebszugehörigkeit. Auswahl. Gründe. Vergleichbarkeit. Erläuterung. Nachschieben

 

Leitsatz (amtlich)

Sozialauswahl: Keine Berücksichtigung vertraglich angerechneter Beschäftigungsdauer

  1. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag die Anrechnung der beim bisherigen Beschäftigungsunternehmen zurückgelegten Betriebszugehörigkeit zugesagt, so ist diese zwar bei der Berechnung von Kündigungsfristen pp., nicht hingegen bei der Sozialauswahl im Falle einer betriebsbedingten Kündigung zu berücksichtigen.
  2. Hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die von ihm – unter Berücksichtigung der angerechneten Betriebszugehörigkeit – getroffene Sozialauswahl gem. § 102 BetrVG mitgeteilt, so kann er im Kündigungsschutzverfahren nicht mit dem Einwand gehört werden, es fehle schon an der Vergleichbarkeit der Arbeitsaufgaben der in die Sozialauswahl einbezogenen Arbeitnehmer (Präklusion).
 

Normenkette

KSchG § 1; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Urteil vom 28.11.2001; Aktenzeichen 4 Ca 1338/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.12.2003; Aktenzeichen 2 AZR 536/02)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 28.11.2001 – 4 Ca 1338/01 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner Klage wendet sich der im Jahre 1945 geborene, verheiratete und gegenüber zwei Personen unterhaltspflichtige Kläger, welcher im Jahre 1993 von der Beklagten als Projektleiter der Abteilung B+Q (Beschäftigung und Qualifizierung) eingestellt wurde und zuletzt ein monatliches Bruttoentgelt von 7.800,00 DM erhielt, gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung vom 22.05.2001 zum 31.08.2002 (Bl. 5 d.A.).

Diese Kündigung hat die Beklagte nach vorsorglich eingeholter Zustimmung der Hauptfürsorgestelle (Bl. 54 d.A.) und Anhörung des Betriebsrats (Bl. 57 ff. d.A.) gegenüber dem Kläger mit der Begründung ausgesprochen, aufgrund einer Reduzierung der Projektteilnehmerzahl und einer hierdurch veranlassten Umverteilung von Aufgaben entfalle künftig der Bedarf für die Beschäftigung des Klägers.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung sowie die soziale Rechtfertigung der Kündigung bestritten und vorgetragen, weder der Inhalt der schriftlichen Betriebsratsanhörung noch der Sachvortrag im Kündigungsschutzprozess lasse erkennen, inwiefern die bislang vom Kläger erledigten Tätigkeiten problemlos durch Umverteilung auf andere Kräfte bewältigt werden könnten. Weiter hat der Kläger die getroffene Sozialauswahl im Verhältnis zum Arbeitnehmer K4. beanstandet, welcher seit dem 01.01.1999 bei der Beklagten tätig ist. Inwieweit Herr K4. seiner Aufgabenstellung nach mit dem Kläger vergleichbar und in die Sozialauswahl einzubeziehen war, ist unter den Parteien streitig. Streitig ist ferner, inwiefern die im Arbeitsvertrag des Herrn K5. getroffene Regelung, nach welcher als Eintrittsdatum für Jubiläum, Pensionsrechte und Entgeltfortzahlung der 01.09.1973 gilt, bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen ist. Im Anhörungsbogen zur Kündigung hatte die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat insoweit Folgendes mitgeteilt:

„…

Nach den Auswahlrichtlinien hat Herr M2. 59 Sozialpunkte. Herr M2. ist als AT-Angestellter innerhalb des B+Q-Bereiches nur mit Herrn K4. vergleichbar. Dieser hat bei der sozialen Auswahl mehr Punkte. Mit den anderen AT-Angestellten ist er aufgrund der völligen Andersartigkeit der Funktionen nicht vergleichbar. Da Herr M2. damit den geringsten sozialen Schutz hat, ist er betriebsbedingt zu kündigen. Andere freie Arbeitsplätze sind nicht vorhanden.

…”

Mit Schriftsatz vom 10.08.2001 hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger sei mit Herrn K4. als stellvertretendem Abteilungsleiter nicht vergleichbar, was dem Betriebsrat ebenso bekannt gewesen sei wie die Tatsache, dass Herr K4. für die Beklagte aus betriebstechnischen und wirtschaftlichen Gründen nahezu unverzichtbar sei, wohingegen der Kläger nach einem Schlaganfall sein früheres Aufgabengebiet nur noch teilweise wahrgenommen habe.

Durch Urteil vom 28.11.2001 (Bl. 68 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Belang – antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung nicht beendet worden ist. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die Kündigung scheitere schon an der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung. Weder sei ersichtlich, dass die Kündigung erst nach Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 S. 2 BetrVG ausgesprochen worden sei, noch gehe die schriftliche Information des Betriebsrats zu den Kündigungsgründen über pauschale Angaben hinaus. Insbesondere fehle es an näheren Angaben, wie die vormals vom Kläger erledigten Tätigkeiten im Zug...

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