Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung bei neuer Erkrankung

 

Leitsatz (redaktionell)

Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer für jede neue Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, einen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Jedoch wird kein neuer 6-Wochen-Zeitraum in Gang gesetzt, wenn bei bestehender Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheitsursache hinzu tritt, die für sich ebenso die Arbeitsunfähigkeit bedingt hätte. Auch mehrere einheitliche Erkrankungen, die sich teilweise überlappen, lösen nur einmal nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls für sechs Wochen einen Entgeltfortzahlungsanspruch aus.

 

Normenkette

EFZG § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Entscheidung vom 21.10.2014; Aktenzeichen 3 Ca 3517/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.05.2016; Aktenzeichen 5 AZR 318/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 21.10.2014 - 3 Ca 3517/13 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung.

Der Kläger war vom 02.11.2010 bis 31.10.2013 bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Er bezog ein monatliches Entgelt von 1.900,00 Euro brutto.

In der Zeit vom 09.09. bis 20.10.2013 war der Kläger zunächst aufgrund eines Wirbelsäulenleidens arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 21.10.2013 wurde der Kläger von seinem behandelnden Arzt Dr. M für die Zeit vom 21.10.2013 bis zum 15.11.2013 für arbeitsunfähig befunden. Hierüber stellte Dr. M eine Erstbescheinigung aus. Die vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die die Diagnosen ausweisen, enthalten für den Zeitraum 09.09 bis 20.10.2013 die Schlüssel "M123 G, M234 G" und für den Zeitraum ab dem 21.10.2013 den Schlüssel "M345 G". Für den Zeitraum vom 21.10.2013 bis 31.10.2013 verweigerte die Beklagte die vom Kläger begehrte Entgeltfortzahlung. Krankengeld wurde dem Kläger nicht gewährt.

Mit seiner am 23.12.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger den Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 633,33 Euro brutto nebst Zinsen.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe am Montag, dem 21.10.2013, wie gewohnt die Arbeit antreten wollen, sich morgens beim Anziehen unglücklich bewegt und eine schwerwiegende Verletzung in der rechten Schulter zugezogen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 633,33 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, dass der Kläger, wenn auch nur kurzfristig, vor dem 21.10.2013 arbeitsfähig gewesen sei. Zudem spreche viel dafür, dass die Schulterverletzung bereits vor dem 20.10.2013, 24.00 Uhr, entstanden sei.

Durch Urteil vom 21.10.2014 hat das Arbeitsgericht nach Vernehmung des Arztes Dr. med. M als sachverständigen Zeugen die Beklagte zur Zahlung von 633,33 € brutto verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass aufgrund der Vernehmung des behandelnden Arztes des Klägers nicht feststehe, dass dieser bereits während der bis zum 20.10.2013 anhaltenden Erkrankung wegen der Schulterverletzung arbeitsunfähig gewesen sei, so dass er nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls einen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung erworben habe. Zwar habe der Kläger am 17.10.2013 seinen behandelnden Arzt aufgesucht und diesem über Schmerzen im Schulterbereich berichtet. Dass der Arzt den Kläger bereits am 17.10.2013 aufgrund der Schulterschmerzen krankgeschrieben hätte, wenn der Kläger diesem Zeitpunkt nicht ohnehin noch krankgeschrieben gewesen wäre, habe Dr. M als sachverständiger Zeuge nicht eindeutig beantworten können. Die Folgen der Nichtnachweislichkeit habe die Beklagte zu tragen.

Gegen dieses ihr am 03.11.2014 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 03.12.2014 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Beklagte beruft sich darauf, dass der Kläger bereits am 17.10.2013 über eingetretene zunehmende Schulterschmerzen mit einer Bewegungseinschränkung geklagt habe, also über die Krankheit, wegen der er dann ab dem 21.10.2013 erneut krankgeschrieben worden sei. Es sei von zwei überlappenden Krankheiten auszugehen. Der behandelnde Arzt habe bei seiner Vernehmung zunächst auch bestätigt, dass er den Kläger wegen der Schulterschmerzen bereits am 17.10.2013 krankgeschrieben hätte, wenn nicht eine Krankschreibung wegen der aufgetretenen Rückenbeschwerden bereits vorgelegen hätte. Auf die im Nachhinein erörterte Frage, ob der behandelnde Arzt bereits am 17.10.2013 eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit konkret festgestellt habe, könne es für die Beurteilung nicht ankommen. Die weitere "Neukrankschreibung" ab dem 21.10.2013 sei ebenso ausschließlich aufgrund der Angaben des Klägers erfolgt. Es sei davon auszugehen, dass ...

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