Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung. Anpassung einer Betriebsrente

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß §§ 133, 157 BGB ist bei einer Willenserklärung der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen und unter Berücksichtigung der Begleitumstände zu ermitteln, welchen Willen der Erklärende bei der Erklärung gehabt hat und wie der Empfänger sie verstanden hat oder nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste.

2. Das Verhältnis zweier gleichrangiger Normen bestimmt sich nicht nach dem Günstigkeitsprinzip, sondern nach der Zeitkollisionsregel. Die jüngere Norm geht der älteren vor und löst diese ab. Die Betriebsparteien können deshalb die Regelungen einer Betriebsvereinbarung für die Zukunft jederzeit durch Bestimmungen einer neuen Betriebsvereinbarung ersetzen, auch wenn diese die bisherige Rechtsposition der Arbeitnehmer verschlechtern.

3. Den Betriebsparteien sind durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Vertrauensschutzprinzip Grenzen nur einer rückwirkenden Geltung verschlechternder Regelungen gezogen.

4. Der Versorgungsempfänger muss, wenn er die ausdrückliche Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers für unrichtig hält, dies grundsätzlich vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. Mit dem nächsten Anpassungsstichtag entsteht ein neuer Anspruch auf Anpassungsentscheidung und der Anspruch auf Korrektur einer früheren Anpassungsentscheidung erlischt.

 

Normenkette

BetrAVG §§ 1, 16; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 13.08.2009; Aktenzeichen 3 Ca 6283/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.09.2012; Aktenzeichen 3 AZR 431/10)

BAG (Aktenzeichen 3 AZN 796/10)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 13.08.2009, Az. 3 Ca 6283/08, teilweise abgeändert und auf die Anschlussberufung des Klägers unter deren teilweiser Zurückweisung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.623,60 EUR brutto zu zahlen.

Die weitergehende Zahlungsklage wird abgewiesen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch nach dem 01.07.2009 die betriebliche Altersversorgung des Klägers entsprechend § 26 der Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der V1 AG und deren Gesamtbetriebsrat vom 27.07.1993 in Höhe von 85 % der jeweiligen linearen Erhöhung der tariflichen Tabellenvergütungen bei der Beklagten zu erhöhen.

Die weitergehende Feststellungsklage wird abgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 68 %, die Beklagte zu 32 %.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger zu 60 %, die Beklagte zu 40 %.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen, für den Kläger wird sie nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des Klägers.

Der am 15.01.1931 geborene Kläger war in der Zeit vom 02.10.1961 bis 31.01.1991 bei der V1 AG (im Folgenden V1-AG) zuletzt als Kraftwerkmeister beschäftigt. Die V1-AG war die Rechtsvorgängerin der erstinstanzlichen Beklagten zu 2). Unter dem 06.06.1972 schloss der Kläger mit der V1-AG einen Arbeitsvertrag (Bl. 495 f. d.A.) mit unter anderem folgender Regelung ab:

„Wir gewähren Ihnen hiermit Anwartschaft auf Pension- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe der für unsere Werksangehörigen jeweils geltenden Richtlinien.”

Am 29.01.1986 vereinbarte die V1-AG mit dem Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Versorgungsleistungen mit dem Namen „Geändertes Versorgungswerk"(GVW). § 26 GVW 86 lautet wie folgt:

㤠26 Anpassung der betrieblichen Altersversorgungsleistungen

Die Anpassung der laufenden betrieblichen Altersversorgungsleistungen erfolgt in der Weise, dass die ungekürzte Pension, die ungekürzte Ehegattenversorgung, die Waisenversorgung und die Begrenzungseinkommen in dem Umfang und zu dem Zeitpunkt wie die jeweiligen tariflichen Tabellenvergütungen bei V1 erhöht werden.”

Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Gesamtbetriebsvereinbarung wird auf die zu der Akte gereichte Kopie (Bl. 29 – 46 der Akte) Bezug genommen.

Nach seinem Ausscheiden bezog der Kläger zunächst bis zum 30.04.1991 ein Übergangsgeld der V1-AG und für die Zeit seit dem 01.05.1991 eine betriebliche Altersversorgung. Mit Schreiben vom 13.05.1991 errechnete die V1-AG einen Pensionsanspruch des Klägers in Höhe von 4.553,41 DM.

Mit Datum vom 27.07.1993 schlossen die V1-AG und der Gesamtbetriebsrat eine ergänzende Betriebsvereinbarung zur Neufassung des GVW (GVW 93) ab. Gemäß deren Ziffer 2.3 wurde u.a. der bisherige § 26 GVW 86 durch folgende Fassung ersetzt:

§ 26 Anpassung der betrieblichen Altersversorgungsleistungen und des Begrenzungseinkommens

Die laufenden betrieblichen Altersversorgungsleistungen (ungekürzte Pension, ungekürzte Ehegattenversorgung, Waisenversorgung) und das Begrenzungseinkommen werden ab 01.04.1993 mit 85 vH der jeweiligen linearen Erhöhung der Tabellenvergütung angepasst. Die Anpassung erfol...

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