Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Weiterbeschäftigung. Anforderungsprofil des freien Arbeitsplatzes

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung ist der Arbeitgeber gehalten, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen. Dabei steht es in der gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers, das Anforderungsprofil für den zu besetzenden Arbeitsplatz festzulegen. Das Fehlen dort niedergelegter Anforderungen kann der Arbeitgeber der ihm angesonnenen Weiterbeschäftigung jedoch nur insoweit entgegenhalten, als die grundlegende Qualifikation für den Arbeitsplatz betroffen ist.

Im zu entscheidenden Fall kann der Arbeitgeber deshalb der vom Kläger geforderten Weiterbeschäftigung nicht entgegenhalten, der Kläger sei zwar gelernter Industriekaufmann, ihm fehlten aber eine mehrjährige Berufserfahrung im Vertrieb und Erfahrungen in der Auftragsabwicklung, wie sie in der internen Stellenausschreibung gefordert seien.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 09.01.2002; Aktenzeichen 3 Ca 1575/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.06.2004; Aktenzeichen 2 AZR 326/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 09.01.2002 – 3 Ca 1575/01 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer aus betrieblichen Gründen ausgesprochenen Kündigung vom 26.08.2001 zum 31.10.2001. Der Kläger ist am 01.02.11xx geboren, ledig und kinderlos. Er ist gelernter Industriekaufmann. Seit dem 04.12.1990 arbeitete er bei der Beklagten als Versanddisponent zu einer monatlichen Grundvergütung von zuletzt 5.137,00 DM, Vergütung nach Gehaltsgruppe G 4 des Gehaltstarifvertrages für die Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie im Bereich Westfalen und dem zugehörigen Gehaltsrahmentarifvertrag aus dem Jahr 1991. Im Arbeitsvertrag vom 25.03.1991 (Kopie Bl. 6, 7 d.A.) und in der Vereinbarung „Festsetzung des Gehalts für Angestellte” vom 25.03.1991 (Kopie Bl. 8 d.A.) ist eine Tätigkeit des Klägers als Versanddisponent vereinbart mit der Verpflichtung, auch andere zumutbare Arbeiten zu verrichten. Es ist die Geltung der „jeweiligen Tarifverträge: MTV für Angestellte der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie Westfalens” geregelt. Der Einsatz soll in Wechselschicht erfolgen mit der Maßgabe, dass aus betrieblicher Notwendigkeit eine andere Arbeitszeit angewiesen werden kann. Wegen der Kurzstellenbeschreibung zum Arbeitsvertrag wird auf Bl. 45 d.A. verwiesen. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat. Seit 2001 strebt die Beklagte eine Umorientierung im Kundenbereich an. Anstelle von schlechtpreisigen bisherigen Kunden sollen vermehrt Neukunden aus anderen Bereichen gewonnen werden. In der Umsetzung dieses Prozesses ergab sich vom Jahr 2000 auf das Jahr 2001 ein Umsatzrückgang von 20 % bis 25 %. Die Anzahl der zu bearbeitenden Vorgänge reduzierte sich um 26 %. Die Beklagte änderte ihre Ablauforganisation. Sie fasste die bisherigen Abteilungen Verkaufsinnendienst, Arbeitsvorbereitung und Produktionsplanung zu einem „Kunden-Servicecenter” mit den Bereichen Planung und Kundenservice zusammen. Kundenvorgänge können so durch integrierte Behandlung auf einer Etage verbessert bearbeitet werden. Die bisherige gesonderte Abteilung Arbeitsvorbereitung entfiel. Die dort vorgehaltenen Arbeitsplätze fielen weg. Betroffen waren die Arbeitsplätze des Betriebsratsvorsitzenden B4xx S1xxxxxxxx und des Jugendvertreters P4xxxxx R4xxxx. Herr R4xxxx absolvierte bei der Beklagte bis zum Juni 2000 eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Die Beklagte setzte Herrn R4xxxx zum 01.07.2001 als Disponent in den Versand um. Dort arbeiteten bis zu diesem Zeitpunkt neben dem Kläger zwei weitere Versanddisponenten: B5xxxxxx L3xxxxx (geb. 12.03.13xx, Betriebszugehörigkeit seit dem 10.09.1984, verheiratet, 1 Kind) und R5xxxx F5xx (geb. 04.14.15xx, Betriebszugehörigkeit seit dem 14.03.1990, verheiratet, 1 Kind) (Tabelle zu den Sozialdaten Bl. 17 d.A.). Die Beklagte hörte den Betriebsrat unter dem 13.06.2001 zu der gegenüber dem Kläger beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung an (Einzelheiten: Kopie Bl. 11 – 17 d.A.). Der Betriebsrat widersprach am 20.06.2001 und führte unter anderem aus: Der Betriebsrat sei zu der Versetzung des Herrn R4xxxx in den Versand nicht nach § 99 BetrVG beteiligt worden, die Sozialauswahl sei im Hinblick auf die Arbeitnehmerinnen W4xx, S2xxxx und im Hinblick auf die geplante und abgestimmte Übernahme der Auszubildenden Z1xxxxxxx, M4xx und L2xxx zu beanstanden, die zum 30.09.2001 frei werdende Stelle des Herrn O1xxxx könne mit Herrn R4xxxx besetzt werden, eine Freikündigung des Arbeitsplatzes des Klägers sei in Anbetracht dieser Situation völlig überflüssig (Kopie Bl. 18, 19 d.A.). Herr O1xxxx, bisher Sachbearbeiter im Vertrieb mit einem Geh...

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