Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Leiharbeitnehmers auf Ersatz von durch den Einsatz bei verschiedenen Entleihern entstehenden Fahrtkosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Leiharbeitnehmer hat grundsätzlich einen aus § 670 BGB analog begründeten Anspruch auf Ersatz der aus dem Einsatz bei verschiedenen Entleihern entstehenden Fahrtkosten, soweit diese die dem Arbeitnehmer für eine Anfahrt zum eigenen Vertragsarbeitgeber überschreiten (so auch LAG Niedersachsen, Urt. v. 20.12.2013, 6 Sa 392/13, [...]; LAG Hamm, Urt. v. 30. 06.2011, 8 Sa 387/11, [...]; LAG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.2009, 15 Sa 268/09, [...]; LAG Köln, Urt. v. 24.10.2006, 13 Sa 881/06, [...]; LAG Köln, Urt. v. 15.11.2002, 4 Sa 692/02, [...]; entgegen LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 08.09.2009, 1 Sa 331/09, [...]; dem folgend auch LAG Hamm, Urt. v. 16.07.2008, 2 Sa 1797/07, [...])

2. Eine Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingung, die einen Anspruch auf Ersatz von Anfahrtkosten zum Einsatzbetrieb pauschal ausschließt und als in dem gezahlten Entgelt enthalten bezeichnet, stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

 

Normenkette

BGB § 670 Abs. 1, § 307 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 01.09.2015; Aktenzeichen 2 Ca 4482/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 01.09.2015 - 2 Ca 4482/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte an den Kläger 763,84 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2014 zu zahlen hat und die Klage im Übrigen abgewiesen wird.Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erstattung von Fahrtkosten.

Der Kläger ist seit dem 09.08.2010 bei der Beklagten als Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung als Produktionsmitarbeiter tätig. In dem Arbeitsvertrag vom 30.07.2010 finden sich folgende Regelungen:

"§ 2. Vertragsgegenstand

(...)

2. Auf das Arbeitsverhältnis finden neben den Inhalten dieses Vertrages und den gesetzlichen Bestimmungen auf Grund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers die räumlich, fachlich und persönlich einschlägigen Tarifverträge (derzeit der Interessengemeinschaft deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. - iGZ-/ DGB-Tarifwerk) in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung [...].

5. Der Arbeitnehmer ist damit einverstanden, an wechselnden Einsatzorten auch außerhalb seines Wohnsitzes tätig zu werden.

6. Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Arbeitnehmer jederzeit von seinem Einsatzort abzuberufen und anderweitig einzusetzen."

"§ 5. Vergütung

1.

[...] Aufwendungen für die tägliche Fahrt zwischen Wohnung und dem Einsatzort bzw. der zwischen der Betriebsstätte des Arbeitgebers und dem Einsatzort sind durch die Vergütung abgegolten und werden nicht erstattet.

(...)

5. Die Vergütung wird zum Ende eines Monats fällig."

"§ 15. Ausschlussfristen

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat nach ihrer Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden."

Der durch § 2 Ziff. 2 des Arbeitsvertrages einbezogene Tarifvertrag MTV iGZ-DGB enthält folgende Regelungen:

"§ 10 Ausschlussfrist

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden."

Bei Vertragsschluss wurde dem Kläger von der Beklagten ein "Merkblatt für Leiharbeitnehmer" der Bundesagentur für Arbeit (Stand Mai 2009) überreicht. Ziffer 3 dieses Merkblatts lautet:

"Grundsätzlich haben Sie Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen (z. B. Fahrt- und Übernachtungskosten) bei auswärtigem Einsatz (§ 670 BGB) [...] Tarifvertraglich oder einzelvertraglich können abweichende Regelungen getroffen werden. [...]"

Die Grundvergütung wird zum Ende des jeweiligen Monats ausgezahlt. Einsatzbezogene Zulagen werden erst zum Ende des Folgemonats ausgezahlt. Die Beklagte übernimmt in Einzelfällen die Fahrtkosten von Arbeitnehmern. Diese werden gemeinsam mit den einsatzbezogenen Zulagen ausgezahlt.

Bis zum 30.06.2013 wurde der Kläger bei der Firma U L in E eingesetzt. Ab dem 09.01.2014 wurde dem Kläger ein Einsatz bei der Firma U L Federn und Stabilisatoren in P zugewiesen. Diese Tätigkeit nahm der Kläger am 24.04.2014 auf. Er verrichtete seine Tätigkeit an diesem Standort im April an 5 Arbeitstagen, im Mai an 18 Arbeitstagen und im Juni an 8 Arbeitstagen. Die Vergütung dort setzte sich aus einem Grundbetrag in Höhe von 11,22 €/h und einer einsatzbezogenen Zulage in Höhe von 6,03 €/h zusammen.

Die Entfernung für den einfachen Weg zwischen Wohnort des Klägers und dem Einsatzbetrieb beträgt 99 Kilometer. Die Distanz zwischen dem Wohnort des Klägers und dem Betriebssitz der Beklagten beträgt 21 Kilometer. Der Kläger fährt einen älteren Opel Omega mit einem Durchschnittsverbra...

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