Entscheidungsstichwort (Thema)

Rufbereitschaft als Arbeitszeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in der SIMAP-Entscheidung des EuGH vom 03.10.2000 (Rs. L 303/98 –) aufgrund der Richtlinie 93/104/EG vorgenommene Einordnung von Bereitschaftsdiensten, bei denen Ärzte in der Gesundheitseinrichtung anwesend sein müssen, als Arbeitszeit, ist nicht durch Besonderheiten des spanischen Ausgangsfalls geprägt, sondern auch für die Bereitschaftsdienste in deutschen Krankenhäusern maßgeblich, bei denen Ärzte im Krankenhaus anwesend sein müssen, um bei Bedarf ihre Tätigkeit sofort aufnehmen zu können.

2. Aufgrund europarechtskonformer Auslegung des Begriffs der Arbeitszeit in § 2 Abs. 1 ArbZG kommt diese Rechtsprechung unmittelbar auch in der Bundesrepublik Deutschland zur Anwendung, ohne dass es hierzu einer ausdrücklichen Gesetzesänderung bedarf.

 

Normenkette

ArbZG § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 3, § 7 Abs. 2; RL 93/104/EG

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Urteil vom 11.12.2001; Aktenzeichen 2 Ca 4373/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.03.2004; Aktenzeichen 9 AZR 93/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Herne vom 11.12.2001 – 2 Ca 4373/00 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Einordnung des von der Klägerin abzuleistenden Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit.

Die Klägerin ist seit dem 07.08.1989 mit einer kurzen Unterbrechung als Ärztin im S3. M1xxxxxxxxxxxx, einem Katholischen Krankenhaus, beschäftigt. Sie war zunächst als Ärztin im Praktikum tätig und ist seit dem 01.09.1994 Assistenzärztin in der kinderchirurgischen Abteilung. Die Vergütung wird in Anlehnung an den BAT bezahlt und richtet seit Februar 2000 nach der Vergütungsgruppe I b BAT. Es belief sich nach den letzten dem Gericht vorliegenden Abrechnungen auf der Grundlage der Vergütungsgruppe BAT II a auf etwa 8.500,– DM, worin etwa 2.200,– DM als Bezahlung von Bereitschaftsdienst enthalten waren.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 18.10.1994 (Bl. 11 – 12 d.A.). In § 2 haben die Parteien vereinbart, dass es sich nach dem Hausvertrag und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Verträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung bestimmt.

Trägerin des S3. M7xxxxxxxxxxxxx ist die Beklagte, eine kirchliche Stiftung gemäß § 29 Stiftungsgesetz NRW. Sie gehört weder dem Caritasverband für das Erzbistum M5xxxxx an, noch ist sie Mitglied einer Kommission im Sinne der KODA-Ordnung, noch hat sie eine Ausnahmegenehmigung beantragt. Im M1xxxxxxxxxxxx ist eine Mitarbeitervertretung gebildet. Mit dieser ist der arbeitsvertraglich in Bezug genommene Hausvertrag, der am 01.01.1989 in Kraft getreten ist, abgeschlossen worden. Er ist dem BAT vergleichbar und enthält Nebenbestimmungen zur Eingruppierung, Vergütung, Urlaub, Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie in den §§ 15 – 17 umfangreiche Regelungen zur Arbeitszeit. So ist in § 15 Abs. 2 die Verlängerung der Arbeitszeit bei Arbeitsbereitschaft vorgesehen. Außerdem ist nach § 2 des Hausvertrages u.a. die Sonderregelung SR 2 c des BAT, in der Bestimmungen zur Arbeitszeit von Ärzten und Zahnärzten an Anstalten und Heimen enthalten sind, Bestandteil des Hausvertrages. Zu den weiteren Einzelheiten des Hausvertrages wird auf das von der Beklagten im Schriftsatz vom 26.02.2001 zur Gerichtsakte überreichte Exemplar Bezug genommen. Er ist mit Schreiben vom 09.10.1996 gekündigt worden, zwischen der Beklagten und der Mitarbeitervertretung ist jedoch die Nachwirkung des Hausvertrages vereinbart worden (Bl. 51 d.A.).

Aufgrund der am 01.03.1997 in Kraft getretenen Dienstanweisung der Beklagten (Bl. 16 d.A.) gelten in der Kinderchirurgie die folgenden Arbeitszeiten:

„Regelarbeitszeit gültig für Mitarbeiter der Klinik

Regelarbeitszeit von 7.00 Uhr – 15.30 Uhr von montags bis freitags

Diensthabender im Bereitschaftsdienst

Montag – Donnerstag

Regelarbeitszeit

von

7.00 Uhr –

15.30 Uhr

Arbeitsbereitschaft

von

15.30 Uhr –

17.45 Uhr

Bereitschaftsdienst

von

17.45 Uhr –

7.00 Uhr

Folgetag

Regelarbeitszeit

von

7.00 Uhr –

10.00 Uhr

Arbeitsbereitschaft

von

10.00 Uhr –

13.00 Uhr

Freizeitausgleich

von

13.00 Uhr –

15.30 Uhr

(2,5 Std. inkl. 0,5 Std. Pause)

Freitag/Samstag

Regelarbeitszeit

von

7.00 Uhr –

15.30 Uhr

Bereitschaftsdienst

von

15.30 Uhr –

9.30 Uhr

Samstag/Sonntag

Bereitschaftsdienst

von

9.30 Uhr –

9.30 Uhr

Sonntag/Montag

Bereitschaftsdienst

von

9.30 Uhr –

7.00 Uhr

Dienst an Feiertagen

wie Sonntag/Montag

Dienst vor Feiertagen

wie Freitag/Samstag”

Einem exemplarisch von der Beklagten zur Gerichtsakte eingereichten Dienstplan für März 2002 ist zu entnehmen, dass die Klägerin in diesem Monat fünf Mal zum Bereitschaftsdienst eingeteilt war. Während des Bereitschaftsdienstes und der dienstplanmäßig vorgesehenen Arbeitsbereitschaft muss sich die Klägerin zwingend in der Klinik der Beklagten aufhalten, um jederzeit ihre Tätigkeit bei Bedarf aufnehmen zu können. Vergütungsmäßig wird der Bereitschaftsdienst in die Stufe...

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