Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Begründung der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil bei Fernbleiben des Prozessbevollmächtigten wegen einer generell angeordneten Maskenpflicht im Hinblick auf die Corona-Pandemie

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil kann nur darauf gestützt werden, dass ein Fall der Säumnis nicht gegeben war oder die Säumnis nicht schuldhaft gewesen ist. Die Zulässigkeit der Berufung nach § 64 Abs. 2 lit. d ArbGG setzt daher die schlüssige Darlegung voraus, ein Fall der Säumnis bzw. der verschuldeten Säumnis habe nicht vorgelegen. Wird die fehlende oder unverschuldete Säumnis nicht schlüssig dargelegt, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

2. Daran fehlt es, wenn der Prozessbevollmächtigte zur Begründung der Berufung vorträgt, er sei der Verhandlung über den Einspruch gegen ein zuvor ergangenes Versäumnisurteil ferngeblieben, weil das Gericht angekündigt habe, die Hausordnung, die eine Maskenpflicht vorsehe, zur Anwendung zu bringen.

 

Normenkette

ArbGG § 64 Abs. 2 Buchst. d); GVG § 176 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Rheine (Entscheidung vom 07.04.2022; Aktenzeichen 4 Ca 1387/21)

ArbG Rheine (Entscheidung vom 12.05.2022; Aktenzeichen 4 Ca 1384/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das zweite Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 12. Mai 2022 - 4 Ca 1387/21 - wird als unzulässig verworfen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten und über das Vorliegen einer unverschuldeten Säumnis des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht.

Der Kläger war im Betrieb der Beklagten seit dem 1. August 2020 als Berufskraftfahrer mit einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt iHv. 2.400,00 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme durch Arbeitsvertrag vom 19. Juni 2020 der Manteltarifvertrag für das private Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalen Anwendung.

Am 24. November 2021 teilte der Kläger dem Geschäftsführer in Gegenwart einer Disponentin mit, dass er seine Ladung bei der Firma A nicht entladen konnte, da diese den Zutritt bzw. die Entladung von der Vorlage eines Corona-Impf- oder Genesenennachweises oder einer aktuellen Bescheinigung über einen negativen Corona-Test mache. Der Kläger verfügte weder über einen Impf- noch über einen Genesenennachweis. Auf Nachfrage des Geschäftsführers, warum er keine Testbescheinigung beibringe, wies der Kläger darauf hin, dass er "das nicht mitmache". Ihm wurde erläutert, dass die Beklagte seit dem 23. November 2021 verpflichtet sei, die "3G-Regel" am Arbeitsplatz einzuhalten. Der Kläger, der eine Impfung ablehnte, verweigerte auch nach nochmaligem Hinweis, dass er ohne Beibringung von Tests nicht beschäftigt werden könne, die Durchführung eines Corona-Tests. Der Geschäftsführer der Beklagte untersagte ihm, die Arbeit ohne vorherige Testung aufzunehmen. Der Kläger ging zu seinem Fahrzeug, nahm seine persönlichen Gegenstände hinaus und verließ den Betrieb. In den nächsten Tagen bot er seine Arbeit nicht wieder mit einem "3G-Nachweis" an.

Mit Schreiben vom 29. November 2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 2021.

Mit einer Whats-App-Nachricht vom 11. Dezember 2021 teilte der Kläger einer Disponentin der Beklagten Folgendes mit:

"Ihr braucht nicht mehr mit mir rechnen, ich habe einen neuen Job."

Der Kläger hat am 20. Dezember 2021 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben. Er hat behauptet, dass Kündigungsschreiben sei ihm erst am 2. Dezember 2021 per Post zugegangen.

Er hat die Auffassung vertreten, nach der Gesetzeslage könne ein Impf-, Genesenen- oder Testnachweis nicht verlangt werden, da es bei der Ausführung seiner Arbeitstätigkeit nicht zwingend zur Unterschreitung des Mindestabstandes von 1,50 m kommen müsse. Im Übrigen sei die 3G-Regelung am Arbeitsplatz verfassungswidrig und unwirksam.

Der Kläger hat in der Klageschrift vom 20. Dezember 2021 die Anträge angekündigt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2021 nicht zum Ablauf des 31. Dezember 2021 aufgelöst wird;
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. Dezember 2021 hinaus fortbesteht;
  3. hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 29. November 2021 erst mit Wirkung zum 15. Januar 2022 beendet ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Kündigung sei am 30. November 2021 durch einen Boten in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen worden. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe die Regelungen des § 28b Abs. 1 IfSG aF einhalten müssen und es sei ihm zumutbar gewesen, sich konkreten Testungen zu unterziehen. Bei der Abfertigung, der Be- und Entladung so...

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