Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf eines Aufhebungsvertrages. Wiedereinstellungsanspruch nach Aufhebungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag ist kein Haustürgeschäft im Sinne des § 312 BGB.

2. Durch das Widerrufsrecht nach § 312 BGB soll der Verbraucher nicht vor einer Überrumpelung durch einen überlegenen Vertragspartner schlechthin geschützt werden, sondern die Möglichkeit erhalten, nachträglich Vergleichsinformationen zu erfragen, um so eine Basis für eine vernünftige Entscheidung zu haben. Das Widerrufsrecht dient damit der Herstellung des für eine Vertragsparität erforderlichen Informationsgleichgewichts. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages kein Informationsgefälle, das demjenigen des Haustürgeschäftes ähnelt.

3. Ein Anspruch auf Wiedereinstellung entsprechend den zur betriebsbedingten Kündigung entwickelten Grundsätzen kommt nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zum Abschluss des Aufhebungsvertrages zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung bestimmt wurde.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 312, 355, 611

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 09.10.2002; Aktenzeichen 8 Ca 3648/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.04.2004; Aktenzeichen 2 AZR 281/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 09.10.2002 – 8 Ca 3648/02 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Rechtswirksamkeit eines Aufhebungsvertrages sowie darüber, ob der Kläger Ansprüche gegenüber der Beklagten aus einem Sozialplan hat.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.03.2001 als Junior-Vertriebsbeauftragter Indirect Sales zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 3.326,70 EURO tätig. Seine Aufgabe bestand in der Akquise, Beratung und Schulung von Fachhändlern. Am 05.03.2002 wurde er für den nächsten Tag zu einem Gespräch in das Büro seines Vorgesetzten, Herrn S5xxxxxx, in D2xxxxxx gebeten. Dort wurde ihm durch die Personalreferentin, Frau M2xxxx und seinen Vorgesetzten mitgeteilt, dass man sich von ihm trennen wolle. Noch im Verlaufe des Gesprächs unterzeichnete der Kläger einen von der Beklagten unter dem 05.03.2002 vorformulierten Aufhebungsvertrag, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im beiderseitigen Einvernehmen auf Veranlassung der Beklagten zum 30.06.2002 gegen Zahlung einer Abfindung von 2.482,05 EURO vorsah. Zudem wurde der Kläger nach dem Vertrag ab sofort von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Vergütungsfortzahlung freigestellt.

Am 17.04.2003 kam zwischen der Beklagten und dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat ein Interessenausgleich sowie im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens ein Sozialplan zustande, nach dessen § 1 Ziff. 2 lit. e) der Sozialplan keine Anwendung findet auf Mitarbeiter, die vor Abschluss des Interessenausgleichs einen Aufhebungsvertrag mit dem Unternehmen geschlossen haben, auch wenn deren Anstellungsverhältnis nach Inkrafttreten des Sozialplans endet.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 07.06.2002 die Anfechtung und mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17.06.2002 den Widerruf des Aufhebungsvertrages erklärt. Seit dem 01.07.2002 hat er Arbeitslosengeld erhalten.

Mit der am 18.06.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat er die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages, ein Recht auf Beschäftigung sowie hilfsweise einen Anspruch auf Zahlung der Sozialplanabfindung geltend gemacht. Er hat behauptet, ihm sei vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages keine Überlegungsfrist eingeräumt worden. Auch sei eine Belehrung über die sozialrechtlichen Folgen des Vertrages unterblieben. Die Beklagte habe ihn zudem arglistig getäuscht. Die Personalreferentin der Beklagten, Frau M2xxxx, habe auf seine ausdrückliche Frage, ob es rechtliche Probleme mit dem Arbeitsamt geben könne, gesagt, dass dies nicht der Fall sei, sofern Probleme entstehen sollten, könne man dies regeln. Der Aufhebungsvertrag halte auch einer Inhaltskontrolle nach § 310 Abs. 4 BGB nicht stand. Durch den Vertrag sei ihm einseitig das Risiko des Verlustes von Arbeitslosengeld auferlegt worden. Hierin liege eine unangemessene Benachteiligung. Letztlich habe er den Aufhebungsvertrag wirksam gemäß den §§ 312, 355 BGB widerrufen. Für den Fall der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages habe er zumindest einen Anspruch auf Wiedereinstellung. Die Beklagte habe ihm gesagt, das Arbeitsverhältnis solle aus betriebsbedingten Gründen beendet werden. Tatsächlich habe jedoch eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz als Partnermanager bestanden. Er selbst habe sich auf diese Position beworben gehabt, den Arbeitsplatz allerdings nicht erhalten. Jedenfalls habe er einen Anspruch auf die Differenz zwischen der ihm nach dem Sozialplan zustehenden und der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung. Sein Arbeitsplatz sei aufgru...

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