Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag. Beiordnung. Beurteilungszeitpunkt. Erforderlichkeit. Mutwilligkeit. Klageerweiterung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Klage ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Eine solche Partei würde bei einem bereits anhängigen Streitverfahren gegen den identischen Beklagten den Weg einer Klageerweiterung der kostenintensiveren neuen Klageerhebung vorziehen, weil sie das gleiche Rechtschutzziel auf kostengünstigere Weise erreichen kann.

2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung ist der Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung. Liegen zu diesem Einwendungen gegen eine einfache Zahlungsforderung vor, hat eine Beiordnung zu erfolgen.

3. Beauftragt die gegnerische Partei erst im Laufe des Verfahrens einen Rechtsanwalt, kommt es für die Beiordnung nach § 121 Abs. 2 Alt. 2 ZPO nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Klageerhebung eine Anwaltsbeiordnung erforderlich war. Ebenso wenig findet eine Prüfung der Erforderlichkeit gemäß § 11a Abs. 2 ArbGG statt. Diese Bestimmung findet keine Anwendung im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren.

4. Unabhängig von den teilweise unterschiedlichen Voraussetzungen ist jedenfalls in den Fällen, in denen die Gegenseite anwaltlich vertreten ist, in dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe auch ein Antrag auf Beiordnung nach § 11a Abs. 1 ArbGG zu sehen, soweit Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden kann.

5. Offensichtliche Mutwilligkeit im Sinne des § 11a Abs. 2 ArbGG ist nicht gleichzusetzen mit der Mutwilligkeit im Sinne des § 114 S. 1 ZPO; diese reicht nicht aus, um eine Beiordnung nach § 11a Abs. 1 ArbGG zu verweigern.

 

Normenkette

ArbGG § 11a; ZPO §§ 114, 121 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Beschluss vom 12.07.2010; Aktenzeichen 3 Ca 2663/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 12. Juli 2010 (3 Ca 2663/10) teilweise abgeändert.

Der Klägerin wird zur Wahrnehmung ihrer Rechte im ersten Rechtszug für die Anträge zu 1. und 2. in vollem Umfang Rechtsanwalt H1 aus H2 zu den Bedingungen eines im Bezirk des Arbeitsgerichts Dortmund niedergelassenen Rechtsanwalts mit der Maßgabe beigeordnet, dass sie keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu zahlen hat.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Entscheidung erfolgt mit der Maßgabe, dass eine Gebühr hierfür nicht zu erheben ist.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit ihrer Klageschrift vom 9. Juni 2010 hat die Klägerin die Zahlung von Vergütung für die Zeit vom 1. bis 15. Mai 2010 in Höhe von 680,50 Euro brutto (Antrag zu 1.) sowie die Zahlung weiterer 915,38 Euro brutto Urlaubsabgeltung (Antrag zu 2.) verlangt. Bei Eingang der Klageschrift war zwischen den Parteien bereits ein Zeugnisrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht (3 Ca 2463/10) anhängig.

Das Arbeitsgericht bewilligte mit der hier angefochtenen Entscheidung Prozesskostenhilfe für die Antrag zu 1. in vollem Umfang, dagegen für den Antrag zu 2. dagegen nur im Umfang von 376,62 Euro brutto. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ordnete es lediglich im Umfang der Prozesskostenhilfebewilligung für den Antrag zu 2 an und lehnte diese im Übrigen ab. Die Bewilligung erfolgte mit der Maßgabe, dass die Klägerin keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts in vollem Umfang begehrt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 46 Abs. 2 S. 3, § 78 S. 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 S. 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Zwar kann die Klägerin über die ihr bereits bewilligte Prozesskostenhilfe hinaus keine weitere Prozesskostenhilfe für die mit dem Antrag zu 2. geltend gemachte weitergehende Forderung auf Urlaubsabgeltung erhalten. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht jedoch zu Unrecht die Beiordnung eines Rechtsanwalts verweigert, soweit es Prozesskostenhilfe bewilligt hat. Darüber hinaus war der Klägerin gemäß § 11 a Abs. 1 ArbGG ein Rechtsanwalt beizuordnen.

1. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Antrag zu 2. teilweise verweigert. Eine weitere Gewährung von Prozesskostenhilfe über den vom Arbeitsgericht bereits bewilligten Umfang hinaus kam nicht in Betracht. Die Klageerhebung war mutwillig im Sinne des § 114 S. 1 ZPO.

a) Nach dieser Bestimmung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Es entspricht einhelliger Auffassung, dass eine Klage mutwillig ist, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nic...

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