Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstellenbesetzung. offensichtliche Unzuständigkeit. geplante Betriebsänderung. Interessenausgleich. Sozialplan. Einrichtung und Inbetriebnahme einer sog. Internetfiliale. grundlegende Änderung der Betriebsorganisation. Zulässigkeit der Beschwerde ohne Antrag. Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Zurückverweisung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Einrichtung einer Internetfiliale einer Bank kann eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation i.S.v. § 111 S. 3 Nr. 4 und 5 BetrVG darstellen, weshalb eine Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig ist.

 

Normenkette

ArbGG §§ 65, 68, 95; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1; BetrVG § 111 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Beschluss vom 25.05.2010; Aktenzeichen 1 BV 11/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 25.05.2010 – 1 BV 11/10 – teilweise abgeändert.

Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Gegenstand „Sozialplan (§ 112 BetrVG) im Zusammenhang mit der Eröffnung der Internet-Filiale” wird der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Hamm T1 G3 bestellt.

Die Zahl der Beisitzer wird auf je 2 festgelegt.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten über die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin ist eine Genossenschaftsbank mit ca. 450 Mitarbeitern, die durch eine Verschmelzung zweier Banken im Juni 2005 entstanden ist. Von den ca. 450 beschäftigten Mitarbeitern sind etwa 100 Mitarbeiter als Berater im A-,B- und C-Segment tätig. Die Arbeitgeberin hatte in der Vergangenheit ihren Kunden wie auch in anderen Banken die Möglichkeit des Online-Bankings zur Verfügung gestellt.

Mit Schreiben vom 12.02.2010 teilte die Arbeitgeberin dem in ihrer Bank gewählten Betriebsrat mit, dass die Einrichtung einer sogenannten „Internetfiliale” beabsichtigt sei, die zum 22.02.2010 in Betrieb genommen worden ist.

Ebenfalls mit Schreiben vom 12.02.2010 (Bl. 4 f. d. A.) informierte die Arbeitgeberin die Belegschaft über die Eröffnung der Internetfiliale. In diesem Schreiben heißt es unter anderem wie folgt:

„Die neue InernetFiliale bietet unseren Kunden all das, was sie sich gemäß der wissenschaftlichen Untersuchungen des IfG,(…), immer mehr wünschen: Auf allen Kanälen mit ihrer Bank zu kommunizieren. So stieg der Anteil derjenigen Kunden die sowohl in der Filiale, per Telefon als auch per Internet mit ihren Beratern kommunizieren wollen von 10 % im Jahr 2000 auf nunmehr 80 % im Jahr 2010.

Diesem sogenannten Mulitkanalansatz tragen wir mit unserer neuen InternetFiliale Rechnung, denn der Kunde wird in die Lage versetzt, Basisprodukte direkt online abzuschließen. Dabei hat er die Qual der Wahl:

Ob unsere Kunden nun das neue MEINKONTO V1-Bank Komplett wünschen, mit dem V1-Bank Bonus-Sparen Vermögensaufbau betreiben wollen, ob sie Gelder mit der V1-Bank WachstumsGeld anlegen möchten, ihre Wünsche mit easyCredit finanzieren oder die nächste Urlaubsreise mit der R+V Auslandsreisekrankenversicherung absichern möchten, all das und noch vieles mehr ist jetzt in der neuen InternetFiliale möglich. Der Clou: Selbst die Eröffnung von Gemeinschafts- oder Minderjährigenkonten oder die Erteilung von Vollmachten sind in der InternetFiliale der V1-Bank mögliche Optionen. (…)

Die Vorteile der InternetFiliale liegen aber nicht nur bei den Kunden, sondern sie unterstützen auch die Beraterinnen und Berater der Bank. So haben wir bei der Gestaltung unserer Internetfiliale insbesondere auch auf die Verzahnung mit dem Vertrieb geachtet. Um weitere Kontaktpotentiale zu nutzen, wird z.B. jeder Neukunde der Internetfiliale über die Impulssteuerung IVS/EKK auch zu einem Finanzplangespräch in die Filiale eingeladen werden. (…)”

Am 25.02.2010 fand hierzu eine Informationsveranstaltung für den Betriebsrat statt.

Mit Schreiben vom 25.02.2010 (Bl. 5 d. A.) wies der Betriebsrat darauf hin, dass er in der Eröffnung der Internetfiliale eine Betriebsänderung sehe. Mit Schreiben vom 09.03.2010 (Bl. 7 d. A.) machte er einen Vorschlag zu einem Interessenausgleich mit der Bitte um Zustimmung zur Einrichtung einer Einigungsstelle, sollte ein Interessenausgleich nicht in Betracht kommen.

Die Arbeitgeberin teilte mit Schreiben vom 26.03.2010 (Bl. 8 d. A.) mit, dass sie keine Notwendigkeit zum Abschluss eines Interessenausgleichs sehe.

Mit einer Tagesmail vom 20.04.2010 (Bl. 9 d. A.) wurde den zuständigen Mitarbeitern von der Abteilung „Marketing” die Internetfiliale in Bezug auf die zukünftige Kundenbetreuung mit ihren Möglichkeiten hinsichtlich der Kundenbetreuung vorgestellt. In dieser Tagesmail heißt es u.a.:

„Eine ideale Ergänzung zur optimalen Betreuung vor Ort und im telefonischen ServiceCenter ist für unsere Kunden seit kurzem unsere neue InternetFiliale. Zum Beispiel außerhalb der Öffnungszeiten, im Urlaub, wenn man mal krank ist oder einfach bei schlechtem Wetter. Übrigens: Geld auch online anzulegen und die in unserer InternetFiliale angebotenen Services, kann die Sparkasse W5 ihren Kunden derzeit ...

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