Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückweisung einer Kündigung bei Organhandeln. Vollmachtsvorlage bei einem Vorstandsmitglied einer AOK

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Arbeitnehmer kann eine ihm gegenüber von einem einzelnen Vorstandsmitglied einer AOK ausgesprochene Kündigung in entsprechender Anwendung des § 174 S. 1 BGB zurückweisen, wenn der Arbeitgeber ihn nicht nach § 174 S. 2 BGB darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass die Kündigung von Arbeitsverhältnissen in die Geschäftsführungsbefugnis des die Kündigung aussprechenden Vorstandsmitglieds fällt.

 

Normenkette

BGB § 174 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 27.05.2001; Aktenzeichen 29 Ca 106/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.02.2005; Aktenzeichen 2 AZR 584/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Mai 2001 – 29 Ca 106/01 – abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29. März 2001 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen seines Arbeitsvertrages als Angestellten mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe 11 weite rzu beschäftigen.

Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtfertigung einer dem Kläger ausgesprochenen fristgerechten Kündigung sowie über den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

Der 1951 geborene Kläger machte zunächst eine Ausbildung zum Verlagskaufmann, der sich ein Studium an der Hochschule der Künste in Berlin (Institut für Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation) anschloss. Sein Hochschulstudium schloss der Kläger mit der Note 1,6 ab, wobei die Schwerpunkte des Studiums die Bereiche Mediaforschung, Sozialforschung, Wirtschaftssoziologie, Kommunikationstheorie, Kommunikationsplanung, Kommunikationsrealisierung, Marketingtheorie, Marketingmanagement und Publicrelation bildeten.

Vom 01. Januar 1980 bis zum 31. März 1986 stand der Kläger in einem Arbeitsverhältnis bei dem AOK-Landesverband Baden-Württemberg in Stuttgart. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte der Kläger von sich aus, um ab dem 01. April 1986 bei der Beklagten tätig zu werden.

Bei der Beklagten war der Kläger zuletzt im Bereich des Marketing und der Außenkommunikation eingesetzt und direkt dem Abteilungsleiter der Vertriebsabteilung, Herrn B., unterstellt. Die Abteilung des Klägers gehörte zum Zeitpunkt der vorliegend streitbefangenen Kündigung zum Ressort des damals für den Vertrieb zuständigen Vorstandsmitglieds Herrn D. (vgl. Anlagen B 1. 2, Blatt 14,15 der Akte).

Die Vergütung des Klägers erfolgte nach der Vergütungsgruppe 11 BAT/AOK der Anlage 1 a zu § 22 BAT/OKK. In diese Vergütungsgruppe sind Tätigkeiten eingruppiert, die eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung oder gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern. Tarifliche Tätigkeitsbeispiele sind z. B. Geschäftsstellenleiter/Geschäftsstellenleiterinnen in Geschäftsstellen mit bis zu 35.000 Mitgliedern, Abteilungsleiter/Abteilungsleiterinnen bei dem AOKs und Sachbearbeiter/Sachbearbeiterinnen/Referenten/Referentinnen bei den Landesverbänden und beim Bundesverband. Der Kläger erzielte zuletzt ein durchschnittliches monatliches Bruttogehalt in Höhe von DM 8.486,81 (EUR 4.339,24).

Zur arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung des Klägers gehörte es, nach ihm von seinem Vorgesetzten erteilten konkreten Arbeitsaufgaben projektbezogene Analysen, Konzepte und Unterlagen für geplante Vertriebsaktivitäten zu erstellen.

Am 20. Juli 1998 erhielt der Kläger den Auftrag, ein Bestandssicherungskonzept für auswärtige Zielkunden zu erarbeiten. Dieser Auftrag wurde zunächst mündlich erteilt und am 30. Juli 1998 (Anlage B 6 zum Schriftsatz vom 24. Juli 2001, Blatt 69 bis 70 der Akte) schriftlich fixiert. Ein entsprechendes Grobkonzept war von Herrn B. neun Monate zuvor bereits erstellt worden (Anlage B 7 zum Schriftsatz vom 24. Juli 2001, Blatt 71/72 der Akte). Am 21. August legte der Kläger seine bis dahin erarbeiteten Ergebnisse vor. Aus Sicht der Beklagten entsprach dieses Konzept nicht den Anforderungen, worauf es zu mehreren Gesprächen zwischen dem Kläger und Herrn B. kam. Unter dem Datum 12. November 1998 (Anlage B 8 zum Schriftsatz vom 24. Juli 2001 – Blatt 73 bis 98 der Akte) legte der Kläger das von ihm erarbeitete Konzept vor. Auch dieses Konzept sah Herr B. als unzureichend an, was er dem Kläger in einem Gespräch am 24. November 1998 deutlich machte, zu dem die Beklagte als Anlage B 9 (Blatt 99 der Akte) eine von Herrn B. gefertigte Gesprächsnotiz zur Akte gereicht hat. Unter dem Datum 22. Dezember 1998 mahnte die Beklagte den Kläger wegen der aus ihrer Sicht mangelhaften Leistungen des Klägers bei der Erstellung des Bestandssicherungskonzepts ab. Wegen des Inhaltes der Abmahnung wird auf die Anlage B 10 zum Schriftsatz vom 24. Juli 2001(Blatt 100 bis 103 der Akte) verwiesen.

Es...

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