Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialauswahl. Betriebsbedingte Kündigung. Betriebsübergang. Betriebsteilübergang. Betriebsstilllegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird aufgrund einer einheitlichen unternehmerischen Entscheidung in einem Betrieb ein Betriebsteil stillgelegt und der andere Betriebsteil veräußert, beschränkt sich die soziale Auswahl auf die im stillgelegten Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 08.11.2002; Aktenzeichen 3 Ca 233/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.10.2004; Aktenzeichen 8 AZR 391/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 8. November 2002 – 3 Ca 233/02 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner am 13. Juni 2002 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der 1963 geborene Kläger gegen die fristgemäße Kündigung der Gemeinschuldnerin vom 23. Mai 2002 zum 31. August 2002 (Anlage K 2, BI. 9 d.A.). Der Kläger war bei der Gemeinschuldnerin, die i. d. R. mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigte, seit dem 01. Februar 1994 als Lagerarbeiter tätig. Er verdiente zuletzt monatlich brutto EUR 2.300,81 (Arbeitsvertrag, Anlage K 3, BI. 10 d.A.). In dem Arbeitsvertrag heißt es unter anderem:

dem Arbeitnehmer können bei unzureichender Auftragslage auch andere, ihm zumutbare Arbeiten zugewiesen werden.”

Die Gemeinschuldnerin betrieb den Handel mit Schiffsarmaturen sowie im geringeren Umfang Montagetätigkeit bei Hydraulikanlagen von Schiffen. Im Jahre 1997 erwarb die Gemeinschuldnerin einen Stahlhandel. Der Armaturenhandel wird im Betriebsteil L., der Stahlhandel im Betriebsteil in der I. abgewickelt. Der Geschäftssitz der Gemeinschuldnerin befindet sich im L., wo sich auch die Verwaltung befindet. Der Kläger war von Beginn des Arbeitsverhältnisses an im Betriebsteil L. tätig. Im Betriebsteil Stahlhandel in der I. ist Herr N. als Lagermeister tätig.

Am 13. März 2002 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt (Anl. K1, BI. 7 d.A.). Am 27. März 2002 beschloss die Geschäftsführung der Gemeinschuldnerin mit Zustimmung des Beklagten – wie in der Kammerverhandlung vom 08. November 2002 unstreitig wurde – die Stilllegung des Betriebsteils Armaturen im L.. Dreizehn Mitarbeitern wurde daraufhin mit Zustimmung des Beklagten noch im Monat März 2002 gekündigt. Zugleich führte der Beklagte Gespräche über eine übertragende Sanierung des Betriebsteils Stahlhandel (Gutachten des Beklagten vom 30.05.02, S. 18, BI. 51 d.A.). Am 01. Juni 2002 wurde dann in der Tat der Betriebsteil Stahlhandel an die Firma C. P. veräußert.

Am 03. Juni 2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt (BI. 20 d.A.).

Der Kläger hat die Kündigung nicht für sozial gerechtfertigt gehalten. Nach seiner Auffassung hätte die soziale Auswahl auch auf den Betriebsteil Stahlhandel erstreckt werden müssen. Es habe sich um einen einheitlichen Betrieb gehandelt. In der Person des dortigen Lagermeisters, Herrn N., finde sich ein ihm vergleichbarer, sozial stärkerer Arbeitnehmer.

Der Kläger hat beantragt

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristgemäße Kündigung der Gemeinschuldnerin vom 23.05.02 zum 31.08.02 endet;
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.08.02 hinaus fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat darauf verwiesen, dass der Betriebsteil Armaturen stillgelegt worden sei. Der Kläger sei nicht dem Betriebsteil Stahlhandel zuzuordnen. Da im Betriebsteil des Klägers allen Mitarbeitern gekündigt worden sei, sei eine soziale Auswahl nicht erforderlich gewesen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 08. November 2002 die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Feststellungsantrag weiter.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass dem Kläger im Rahmen der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten nicht habe gekündigt werden dürfen, da der Lagerleiter des Betriebsteiles Stahlhandel, Herr N., sozial weniger schutzbedürftig sei. Dieser sei nach dem Inhalt der vertraglichen Tätigkeit dem Kläger vergleichbar. Allein hierauf komme es an. Die Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Betriebsteilen sei demgegenüber unbeachtlich.

Etwaige Schwierigkeiten bei der übertragenden Sanierung stellten sich nicht, würden zudem den Grundsätzen der sozialen Auswahl nicht entgegenstehen.

Die Kündigung sei auch unwirksam, da der Kläger als LKW-Fahrer oder als Lagerarbeiter im Stahlbereich hätte eingesetzt werden können.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg (Az.: 3 Ca 233/02) vom 08.11.02 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristgemäße Kündi...

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