Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsanhörung. Mitteilung von Sozialdaten. Betriebsschließung. Betriebsstilllegung und Mitteilungspflichten an den Betriebsrat

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung keine Angaben zur sozialen Auswahl machen, wenn sich aus der Betriebsratsanhörung selbst ergibt, dass eine soziale Auswahl wegen Kündigung aller Arbeitnehmer nicht erfolgt.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 10.12.2002; Aktenzeichen 25 Ca 283/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.05.2004; Aktenzeichen 2 AZR 329/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. Dezember 2002 (25 Ca 283/02) abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt mit der Klage die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung.

Die Klägerin war seit dem 1. April 1993 als Verkäuferin bei der E.KG tätig. Wegen der Einzelheiten des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages wird auf die Anlage K 1 zur Klagschrift (Bl. 4 f d.A.) verwiesen. Die Betriebsstätte, in der die Klägerin tätig war, wurde von der E.GmbH übernommen. Die E.GmbH stellte am 23. April 2002 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Beklagte wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Über das Vermögen der E.GmbH wurde am 1. Juli 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 26. Juli 2002 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin, die zuletzt ein Monatsgehalt in Höhe von EUR 1900,– brutto verdiente, zum 31. Oktober 2002.

Am 10. Mai 2002 fand zwischen der Geschäftsleitung der E.GmbH und dem Betriebsrat ein Gespräch über die wirtschaftliche Situation statt, bei dem der Betriebsrat Unterlagen erhielt. Ihm wurde mitgeteilt, dass der Geschäftsbetrieb nach Durchführung eines Ausverkaufs stillgelegt werden solle. Wegen der Einzelheiten eines dem Betriebsrat am 10. Mai 2002 übergebenen Schreibens wird auf die Anlage B 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 15. August 2002 verwiesen.

Am 17. Mai 2002 wurde ein Interessenausgleich (Anlage B 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 15. August 2002, Bl. 23 ff d.A.) vereinbart, am 23. und 28. Mai 2002 ein Sozialplan. Alle Beschäftigten mit Ausnahme derjenigen mit Sonderkündigungsschutz erhielten unter dem Datum des 13. Juni 2002 eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Klägerin ging die Kündigung, wegen deren Einzelheiten auf die Anlage B 3 zum Schriftsatz des Beklagten vom 15. August 2002 (Bl. 27 d.A.) verwiesen wird, am 24. Juni 2002 zu. Mit ihr sollte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2002 aufgelöst werden.

Am 25. Juni 2002 wurde der Ausverkauf beendet und der Geschäftsbetrieb eingestellt. Ein Warenbestand ist nicht mehr vorhanden. Das restliche Mobiliar wurde am 6. August 2002 versteigert.

Nach dem 1. Juli 2002 wurden keine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter mehr eingestellt.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2002 nebst Anlage (Anlage B 6 zum Schriftsatz des Beklagten vom 15. August 2002, Bl. 40 ff d.A.) unterrichtete der Beklagte den Betriebsrat über seine Absicht, die Arbeitsverhältnisse der auf einer beigefügten Personalliste genannten Beschäftigten zu kündigen. Der Betriebsrat nahm hierzu mit Schreiben vom 23. Juli 2002 Stellung, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K 5 zur Klagschrift (Bl. 9 f d.A.) verwiesen wird. Zugleich erklärte der Betriebsrat, dass er den Sozialplan widerrufe.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung unwirksam sei, und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten. Aus dem Wortlaut des Kündigungsschreibens vom 26. Juli 2002 ergebe sich, dass diese Kündigung gegenüber der zuvor ausgesprochenen nachrangig sei. Es bleibe deshalb bei den Wirkungen der ersten Kündigung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2002. Die Klägerin bestreite mit Nichtwissen, dass eine gänzliche und endgültige Betriebsstilllegung erfolgt sei.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die der Klägerin vom Beklagten mit Schreiben vom 26. Juli 2002 ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2002 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Dezember 2002 zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat gemeint, dass die Kündigung zum 31. Oktober 2002 wirksam sei.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 10. Dezember 2002 der Klage stattgegeben und dieses damit begründet, dass die Kündigung vom 26. Juli 2002 nach § 102 BetrVG nichtig sei, weil der Beklagte dem Betriebsrat nicht den Familienstand und die Unterhaltspflichten der Klägerin und der weiteren zu kündigenden Beschäftigten mitgeteilt habe. Diese Angaben gehörten zu den grundlegenden sozialen Daten, die zur Bezeichnung der Person des oder der zu Kündigenden mitzu...

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