Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer dynamischen Verweisung auf BAT bei nicht tarifgebundenem Arbeitgeber

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Klausel in einem Arbeitsvertrag mit einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber, die auf den BAT in der jeweils gültigen Fassung und die dazu abgeschlossenen Zusatztarifverträge Bezug nimmt, ist nach Abschluss von TVöD und TV-L im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend zu interpretieren, dass der für den Arbeitgeber sachnähere Tarifvertrag gelten soll.

2. Bei einem Arbeitgeber, der schwerpunktmäßig in Hamburg tätig ist und über keine Bezugspunkte zum Bund oder zu den Kommunen verfügt, ist die dynamische Bezugnahme auf den BAT im Sinne einer Bezugnahme auf den TV-L auszulegen.

3. Einer Tarifwechselklausel bedarf es nicht.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 31.10.2007; Aktenzeichen 24 Ca 118/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 31.10.2007 (24 Ca 118/07) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (im Folgenden: TV-L) und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden: TVÜ-Länder) kraft vertraglicher Inbezugnahme Anwendung finden. Darüber hinaus begehrt der Kläger eine tarifliche Sonderzahlung.

Der Kläger ist seit dem 01.11.1995 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Erzieher beschäftigt. Er war in die Tarifgruppe V b der Anlage 1 zum BAT eingruppiert. Sein Monatsgehalt betrug zuletzt EUR 3.090,97 brutto. Die Beklagte ist eine gemeinnützige GmbH, die dem L. e.V. gehört, einem in Hamburg ansässigen Elternverein. Die Beklagte ist Träger zahlreicher Behinderteneinrichtungen. Sie ist nicht tarifgebunden.

Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 06.10.1995 (Anl. K 1, Bl. 5 d. A.) heißt es unter Ziffer 2

„Soweit nachstehend nichts anderes vereinbart ist, gelten für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in der jeweils gültigen Fassung und die dazu abgeschlossenen Zusatzverträge.”

Ziffer 9 des Arbeitsvertrages enthält eine Regelung zur betrieblichen Altersversorgung. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages haben die Parteien an die Möglichkeit, dass der BAT nicht fortgeführt werden könnte, nicht gedacht.

Der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23.02.1961 wurde auf Arbeitgeberseite von der Bundesrepublik Deutschland, der Tarifgemeinschaft der Länder und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände abgeschlossen. Die letzte Änderung erfolgte durch den 78. Änderungstarifvertrag vom 31.01.2003.

Am 01.10.2005 trat der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in Kraft, welcher am 19.09.2005 auf Arbeitgeberseite durch die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geschlossen worden war.

Am 01.11.2006 trat der am 12.10.2006 zwischen der Tarifgemeinschaft der Länder und Ver.di abgeschlossene Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in Kraft. Bereits am 08.06.2006 schlossen die gleichen Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 (Anl. K 2, Bl. 14 d. A.). Der Tarifgemeinschaft der Länder gehören alle Bundesländer an mit Ausnahme von Berlin und Hessen.

Mit der am 04.06.2007 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der TV-L sowie der TVÜ-Länder für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgeblich sind.

Er hat die Ansicht vertreten, die Geltung der genannten Tarifverträge ergebe sich im Wege ergänzender Auslegung aus dem Arbeitsvertrag der Parteien. Durch die Aufspaltung des BAT in zwei unterschiedliche Regelungswerke sei eine planwidrige Regelungslücke entstanden. Hätten die Parteien diese Lücke bei Abschluss des Arbeitsvertrages erkannt, wäre nur eine Bezugnahme auf die Regelung der Länder in Betracht gekommen, da weder die Beklagte noch das Beschäftigungsverhältnis der Parteien eine Beziehung zum Bund oder zu den Kommunen aufweise.

Mit seiner am 06.07.2007 bei Gericht eingegangenen Klageerweiterung hat der Kläger tarifliche Sonderzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 geltend gemacht. Der Anspruch ergebe sich aus § 2 (1) a bzw. b des Tarifvertrags über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007. Nach Anlage 2 zum TVÜ-L sei der Kläger von der Vergütungsgruppe V b BAT in die Entgeltgruppe 9 TV-L übergeleitet worden.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) anwendbar ist, mit der Ausnahme, dass sich die Altersversorgung nach vertraglichen Vereinbarung richtet.
  2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 310,– brutto nebst ...

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