Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründete Entschädigungsklage einer abgelehnten Stellenbewerberin bei fehlender Eignung. Anforderung bereits vorhandener Kenntnisse zur Umsetzung unternehmerischer Zwecke in Kleinbetrieb

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die nachteilige Maßnahme muss unmittelbar an das verbotene Merkmal anknüpfen oder mit diesem begründet werden.

2. Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass die Stellenbewerberin objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war. Vergleichbar ist die Auswahlsituation nur für diejenigen, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen.

3. Für die Beurteilung der objektiven Eignung ist nicht allein auf das formelle und bekannt gegebene Anforderungsprofil der Arbeitgeberin abzustellen. Maßgeblich sind vielmehr die Anforderungen, welche die Arbeitgeberin an eine Bewerberin in redlicher Weise stellen darf.

4. Über den einer Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen der Stelleninhaberin darf die Arbeitgeberin grundsätzlich frei entscheiden. Durch überzogene Anforderungen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben gedeckt sind, darf die Arbeitgeberin jedoch die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des Allgemeinen Benachteiligungsgesetzes tatsächlich beseitigen.

5. Die Arbeitgeberin darf ihre Stellenausschreibung so formulieren, dass die Chance auf eine für ihre unternehmerischen Zwecke optimale Stellenbesetzung möglichst groß ist, und deshalb nach der Verkehrsanschauung auch verlangen, dass die geforderten Kenntnisse bereits vorhanden sind. Das gilt umso mehr, wenn die Arbeitgeberin lediglich fünf Mitarbeitende beschäftigt und damit fachliche Defizite bei einzelnen Beschäftigten weitaus schwieriger auszugleichen sind als in einem größeren Unternehmen, so dass sie für ihren wirtschaftlichen Erfolg in besonderem Maße darauf angewiesen ist, die jeweils optimal passende Bewerberin für eine Stelle zu finden.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 3 Abs. 1-2, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 07.05.2014; Aktenzeichen 4 Ca 250/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.11.2017; Aktenzeichen 8 AZR 372/16)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 7. Mai 2014 - Az. 4 Ca 250/13 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Entschädigung wegen behaupteter Diskriminierung im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens.

Die Beklagte entwickelt eine Software für die See- und Binnenschifffahrt namens X. Mit diesem Tool können Reedereien ihre Flotte weltweit tracken. Hierzu werden alle relevanten Daten direkt an Bord des Schiffes erfasst und auf der passwortgeschützten Website im Internet unter X.de dargestellt. Die Software wird für jeden Kunden individuell mit erweiterbaren Features entwickelt und angepasst.

Die webbasierte Anwendung ist serverseitig in der Programmiersprache PHP implementiert. Für die clientseitige Umsetzung der Web Anwendung, also der Darstellung im Webbrowser, verwendet die Beklagte in großem Maße Javascript.

Die dem Produkt der Beklagten zu Grunde liegende Datenbank ist MySQL. In dieser Datenbank werden die Daten für die Kunden verwaltet. Als Betriebssystem auf den Servern setzt die Beklagte ausschließlich Linux ein. Für den Betrieb der Software an Bord der Schiffe entwickelt die Beklagte Programme für das Betriebssystem Windows, die mit C# Programmiert sind.

Die Beklagte beschäftigt insgesamt fünf Mitarbeiter.

Im Sommer 2013 schrieb die Beklagte eine Teilzeitstelle als Softwareentwickler/in aus. In der Stellenausschreibung heißt es wörtlich wie folgt:

"Für die Position sollten Sie ein Studium der Ingenieur-Wissenschaften oder technischen Informatik abgeschlossen haben oder kurz vor ihrem Abschluss stehen. Wir erwarten gute Kenntnisse in Javascript, PHP und SQL. Der Umgang mit Windows und LINUX ist Ihnen vertraut. Außerdem besitzen sie fundierte Kenntnisse in einer objektorientierten Programmiersprache (C++/JAVA/C#).

Eine konzeptionelle Denkweise, gute kommunikative Fähigkeiten, ein offener Umgang mit Menschen und ein eigenständiger, zielorientierter Arbeitsstil runden Ihr Profil ab. Sehr gute Deutsch- und gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift setzen wir voraus. ..."

Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellenausschreibung wird auf die Anlage A 1 (Bl. 4 d. A.) Bezug genommen.

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