Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinstellungsanspruch. krankheitsbedingte Kündigung. Alkoholkrankheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Entfällt bei der krankheitsbedingten Kündigung noch während der Kündigungsfrist die Grundlage für die negative Gesundheitsprognose, so kann dies wie bei einer betriebsbedingten Kündigung bei der der Grund für den Prognostizierten Fortfall der Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers entfallt zur Folge haben, daß der Arbeitgeber sich rechtsmißbräuchlich verhält, wenn er eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ablehnt (im Anschluß an BAG, Urt. vom 27. Februar 1997 – 2 AZR 160/96 – NZA 1997, 757 ff.).

2. Dies gilt grundsätzlich auch für den Fall daß ein bisher nicht therapiewilliger alkoholkranker Arbeitnehmer sich nach Anspruch einer Kündigung dazu entschließt, sich einer Entzugskur zu unterziehen.

Ob dem Arbeitgeber in einem solchen Falle, wenn er an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses festhält, der Vorwurf rechtsmißbräuchlichen Verhaltens gemacht werden kann, ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden.

Dabei ist insbesondere von Bedeutung, inwieweit sich der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung versucht hat, auf den Arbeitnehmer mit der Zielsetzung einer Stabilisierung seines Gesundheitszustandes einzuwirken, in welchem Umfang der Arbeitgeber in der Vergangenheit bereits betriebliche Belastungen aufgrund der Fehlzeiten getragen hat und ob eine gesteigerte Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers besteht.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 08.04.1997; Aktenzeichen 3 Ca 176/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.06.1999; Aktenzeichen 2 AZR 639/98)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 08. April 1997 – 3 Ca 176 – wird unter Abweisung der in der Berufungsinstanz klagerweiternd gestellten Anträge zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner am 08. Mai 1996 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der am 30. Juli 1958 geborene Kläger gegen die fristgerechte Kündigung der Beklagten, die in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, vom 25. April 1996 zum 30. Juni 1996 (Anlage K 1, Bl. 4 d. A.). Der Kläger war für die Beklagte seit dem 19. September 1990 Maschinenführer für Packmaschinen in der Produktion/Rösterei tätig. Seine Tätigkeit umfaßte vor allem die Überwachung seiner Maschine und Pflege und Wartung der Anlage einschließlich kleine Reparaturen. Für diese Tätigkeit ist eine Ausbildung erforderlich, die ca. sechs Monate dauert. Der Kläger verdiente ca. DM 4.000,– brutto monatlich.

Der Kläger ist alkoholkrank. Im Jahre 1993 ergab sich ein krankheitsbedingter Ausfall von 42 Arbeitstagen. Im Jahre 1994 waren es 38 Arbeitstag, im Jahre 1995 43 Arbeitstage und im Jahre 1996 15 Arbeitstage bis zum Ausspruch der Kündigung am 24. April 1996 (vgl. Anlage B 1, Bl. 14 d. A.). Seit Januar 1993 sind der Beklagten insgesamt DM 32.347,24 Gesamtkosten (Entgeltfortzahlung und Lohnnebenkosten) durch krankheitsbedingte Fehlzeiten des Klägers entstanden (Bl. 19 f. d. A.).

Die Beklagte hat am 09. November 1995, 08. Januar 1996 und 28. Februar 1996 Gespräche mit dem Kläger über seine krankheitsbedingten Ausfallzeiten geführt. Der Kläger hat seine Alkoholerkrankung in diesen Gesprächen nicht offengelegt (vgl. Anlage Bl. 24 d. A.).

Mit Schreiben vom 23. April 1996 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zur beabsichtigten fristgemäßen Kündigung des Klägers an (Anlage Bl. 17 f. d. A.). Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung am 25. April 1996 zu (Anlage B 3, Bl. 25 d. A.). Sodann kündigte die Beklagte.

In der Zeit vom 07. Juni 1996 bis 27. Juni 1996 unterzog sich der Kläger einer stationären Entzugstherapie im Allgemeinen Krankenhaus Ochsenzoll.

Mit Schriftsatz vom 05. Dezember 1996 erklärte die Beklagte die Anfechtung des mit dem Kläger abgeschlossenen Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Zur Begründung führt sie aus, der Kläger habe sie bei der Einstellung nicht über die bestehende Alkoholerkrankung informiert.

Der Kläger hat geltend gemacht, die ausgesprochene Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. In den Jahren 1993 und 1994 habe er wiederholt unter Magen-/Darmerkrankungen und unter Erkältungen gelitten. Hinzu seien gewisse Kreislaufprobleme gekommen. Im Jahre 1995 sei dann seine Alkoholkrankheit verstärkt aufgetreten. Deshalb sei er im Jahre 1995 auch von seinem Hausarzt arbeitsunfähig krank geschrieben worden. Gleichzeitig sei er orthopädisch behandelt worden.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 25. April 1996 zum 30. Juni 1996 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht;
  2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziffer 1 die Beklagte zu verurteilen, ihm zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Aufgrund ...

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