Entscheidungsstichwort (Thema)

Verringerung der Arbeitszeit. Einstweilige Verfügung. Leistungsverfügung. Betriebliche Gründe. Kinderbetreuung. Wesentlicher Nachteil

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung seiner Arbeitszeit gem. § 8 Abs. 1 TzBfG kann unter den Voraussetzungen der sog. Leistungsverfügung durch Erlass einer gerichtlichen Interimsregelung vorläufig realisiert werden.

2. Da eine solche Leistungsverfügung zu einer teilweisen oder völligen Befriedigung des streitigen Anspruchs führt, sind an Darlegung und Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund strenge Anforderungen zu stellen. Bei der Interessenabwägung ist auf die Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache und das Gewicht drohender Nachteile auf beiden Seiten abzustellen. Eine Beschränkung auf Notfälle ist als Maßstab zu eng.

3. Zum Vorliegen betrieblicher Ablehnungsgründe i. S. des § 8 Abs. 4 TzBfG in einer Bildredaktion eines Zeitschriftenverlages.

4. Wesentliche Nachteile für den Verfügungsgrund können vorliegen, wenn der Arbeitnehmer ohne die beantragte Arbeitszeitverkürzung nicht in der Lage ist, die Betreuung seiner Kinder zuverlässig zu gewährleisten. Er hat insoweit darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um die Betreuung der Kinder sicherzustellen.

Eine familiäre Entscheidung, die Erziehung der Kinder neben dem vormittäglichen Besuch des Kindergartens und der begrenzten Betreuung durch eine Tagesmutter für die Dauer einer wesentlichen Entwicklungsphase der Kinder selbst zu übernehmen, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen zu respektieren.

 

Normenkette

TzBfG § 8; ZPO § 940

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 07.06.2006; Aktenzeichen 26 Ga 4/06)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 07. Juni 2006 – 26 Ga 4/06 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin eine verringerte Arbeitszeit entsprechend der ausgeurteilten Regelung nur bis zum Erlass einer erstinstanzlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren 26 Ca 237/06 zu gestatten hat.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Verfügungsklägerin auf Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und dessen (vorläufige) Durchsetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren. Das entsprechende Hauptsacheverfahren vor dem Arbeitsgericht Hamburg (Az. 26 Ca 237/06) ist noch nicht abgeschlossen.

Die Verfügungsklägerin, die zwei Kinder, einen Sohn geboren 2000 und eine Tochter geboren 2003, als allein erziehende Mutter zu unterhalten hat, ist seit dem 05. Juni 2000 bei der Verfügungsbeklagten aufgrund des Arbeitsvertrages vom 10. Mai 2000 (Anl. Ast. 1, Bl. 13 ff d.A.) als Bildredakteurin in der Redaktion T. tätig. Die Arbeitszeit der Verfügungsklägerin hat sich ausweislich des § 2 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages nach den redaktionellen und betrieblichen Erfordernissen zu richten und beträgt als Regelarbeitszeit 40 Stunden wöchentlich. Das monatliche Bruttogehalt beträgt EUR 3.458,00 bei einer Vollzeittätigkeit.

Bei der Verfügungsbeklagten werden insgesamt sechs TV-Zeitschriften erstellt, u.a. die T.. In einigen Redaktionen sind Mitarbeiter, auch Bildredakteure, in Teilzeit tätig. Für das Ressort „Bildredaktion T.”, in welchem neben der Fotochefin und zugleich Abteilungsleiterin M. zwei weitere Bildredakteure, nämlich der Anfang 2006 zum stellvertretenden Fotochef beförderte Bildredakteur G. und die Bildredakteurin H. in Vollzeit tätig sind, besteht nach Behauptung der Verfügungsbeklagten ein Organisationskonzept, nach welchem Bildredakteure nur in Vollzeit beschäftigt sind. Die betriebsübliche Arbeitszeit in der Redaktion T. liegt zwischen 10:00 und 19:00.Die Verfügungsklägerin befand sich seit dem 14. Oktober 2000 in Mutterschutz bzw. Elternzeit. Die Elternzeit endete mit Ablauf des 12. Juni 2006. Ihr Sohn besucht derzeit vier Stunden täglich einen Kinderladen, der täglich von 8:15 bis 13:00 geöffnet ist, ihre Tochter wurde hier ab Juni 2006 als sog. Geschwisterkind bevorzugt aufgenommen.Mit Schreiben vom 09. Februar 2006 (Anl. Ast. 2, Bl. 19 d.A.) beantragte die Verfügungsklägerin bei der Verfügungsbeklagten mit Ablauf der Elternzeit Teilzeitbeschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden, aufgeteilt „nach Möglichkeit auf vier Tage, d.h. zweimal ganztags (montags und freitags), sowie zwei Vormittage (mittwochs und dienstags) …”. Mit Schreiben vom 15. März 2006 bestätigte die Verfügungsbeklagte den Eingang des Schreibens und erklärte, sie werde sich rechtzeitig vor Ablauf der Elternzeit zum Antrag der Verfügungsklägerin äußern. Mit Schreiben vom 17. März 2006 bat die Verfügungsklägerin um ein persönliches Gespräch, „um Flexibilität im Stundenkontingent und Einsatzbereich zu besprechen”. Ein am 27. April 2006 stattfindender Gesprächstermin blieb ohne Einigung. Mit Schreiben vom 09. Mai 2006 (Anl. Ast. 6, Bl. 23 ff d....

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