Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifänderung. Umgruppierung. Ablösungsprinzip. Zustimmungsverweigerungsgrund

 

Leitsatz (amtlich)

1. Umgruppierungen aufgrund Neubewertung von Tätigkeiten durch die Tarifvertragsparteien führen nach dem Ablösungsprinzip unmittelbar zu einer Änderung der Vergütungsgruppe (Tarifgruppe).

2. Vergessen die Tarifvertragsparteien nach einer ausdrücklichen Neubewertung, die zu einer Herabstufung führt, in der bisherigen Vergütungsordnung das entsprechende Tätigkeitsbeispiel zu streichen bzw. der niedrigen Tarifgruppe zuzuordnen, ist das unschädlich, wenn die Auslegung hinreichend ergibt, daß es sich hierbei um ein versehentliches Unterlassen handelt.

3. Die Auffassung des Betriebsrats, für die Neubewertung einer Stelle habe es keinen Anlaß gegeben, weil sich das Anforderungsprofil nicht geändert habe, begründet nicht den Vorwurf des Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot, sofern sich die Tarifvertragsparteien zumindest an Plausibilitätsgesichtspunkten orientiert haben. Hiervon ist aber prima facie ohne weiteres auszugehen.

4. Einen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs 2 Ziff 4 BetrVG kann es bei einer Herabgruppierung nach Tarifänderung vernünftigerweise nicht geben, weil die Umgruppierung keinen konstitutiven Akt darstellt.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 4; TVG § 4

 

Verfahrensgang

BAG (Entscheidung vom 09.10.2001; Aktenzeichen 1 ABR 30/01)

ArbG Hamburg (Beschluss vom 08.02.2001; Aktenzeichen 8 BV 12/00)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 8. Februar 2001 – 8 BV 12/00 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG darüber, ob für die Zustimmungsverweigerung zu einer Umgruppierung ein Verweigerungsgrund vorliegt.

Die antragstellende … (Beteiligte zu 1) mit Sitz in Hameln gliedert sich in 21 Gebietsdirektionen. Dort sind für sie u. a. Gebietsverkaufstrainer und Gebietsverkaufsförderer tätig.

Auf die Arbeitsverhältnisse sind die (Haus-)Tarifverträge für die … anwendbar. Gemäß MTV in der seit dem 1. Januar 1997 gültigen Fassung sind die Gebietsverkaufstrainer und Gebietsverkaufsförderer in die Tarifgruppe (TG) 9 eingruppiert. Neben dem Grundgehalt hatten die Gebietsverkaufstrainer laut Tarifvereinbarung vom 21. Dezember 1994 i. d. F. vom 17. November 1998 Anspruch auf eine (variable) sog. Seminarprämie.

Diese Eingruppierung ist seit einer am 29. Juni 2000 abgeschlossenen Tarifvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsräten streitig. Nach Ziffer 2 dieser Vereinbarung „über eine Vergütungsregelung für Gebietsverkaufstrainer und Gebietsverkaufsförderer” (werden) Gebietsverkaufstrainer und Gebietsverkaufsförderer (…) in die Tarifgruppe 8 eingruppiert”. Zur Besitzstandswahrung heißt es in Ziffer 4.1:

„Besitzstandswahrung im Zusammenhang mit den neuen Vergütungsregelungen

Für die am 30. Juni 2000 in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Regionaltrainer und Regionalen Vertriebsförderer (neue Bezeichnung: Gebietsverkaufstrainer und Gebietsverkaufsförderer) gelten die bisherigen Regelungen zur variablen Vergütung bis zum 31. Dezember 2000 fort.

Regionaltrainer und Regionale Vertriebsförderer, die am 30. Juni 2000 in Tarifgruppe 9 eingruppiert sind, werden ab 1. Juli 2000 in Tarifgruppe 8 eingruppiert. Über das entsprechende Tarifgehalt hinaus erhalten sie eine versorgungsfähige Ausgleichszulage, die sich bei zukünftigen Tariferhöhungen wie folgt aufzehrt:

  • Bei Mitarbeitern mit weniger als 10 Jahren Betriebszugehörigkeit vermindert sich die Ausgleichszulage jeweils um die Hälfte des Erhöhungsbetrages.
  • Bei Mitarbeitern mit 10 und mehr Jahren Betriebszugehörigkeit vermindert sich die Ausgleichszulage jeweils um ein Viertel des Erhöhungsbetrages.

(…)”

In Ziffer 7 (Schlußbestimmungen) dieser Tarifvereinbarung heißt es schließlich:

Diese Tarifvereinbarung tritt am 1. Juli 2000 in Kraft und kann mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Sie ersetzt die Tarifvereinbarung über eine Vergütungsregelung für Regionaltrainer. Leiter Regionaltraining, Regionale Vertriebsförderer und Leiter Regionale Vertriebsförderung der BHW Bausparkasse vom 21. Dezember 1994 in der Fassung der Tarifvereinbarung vom 17. November 1998. (…)”

Die Tarifvertragsparteien haben im Zusammenhang mit der Tarifregelung vom 29. Juni 2000 § 6 MTV nicht ausdrücklich geändert. In TG 9 sind daher weiterhin als Tätigkeitsbeispiele Gebietsverkaufsförderer und Gebietsverkaufstrainer aufgeführt. Nach § 7 Ziffer 1 MTV werden die Arbeitnehmer nach der von ihnen ausgeübten Tätigkeit eingruppiert.

Mit Schreiben vom 6. Juli 2000 beantragte die Arbeitgeberin hinsichtlich der bei der Gebietsdirektion Hamburg beschäftigten Mitarbeiterin … und des Mitarbeiters … beim örtlichen Betriebsrat, dem Antragsgegner (und Beteiligten zu 2), unter Bezugnahme auf die neue Tarifvereinbarung für Gebietsverkaufstrainer und Gebietsverkaufsförderer die Zustimmun...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge