Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung im Rahmen einer Konzernbetriebsvereinbarung zur Informationstechnologie. unbegründeter Unterlassungsantrag des örtlichen Betriebsrats zur Verwendung von "Google Maps" bei der Kontrolle von Fahrgeldabrechnungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Schließt der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat in originärer Zuständigkeit(§§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 BetrVG) mit der Arbeitgeberin Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen, hat der nicht beteiligte örtliche Betriebsrat aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung der Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung.

2. Zweck der Mitbestimmungsnorm des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist der Persönlichkeitsschutz der Beschäftigten; Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Verwendung technischer Kontrolleinrichtungen sind nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats wirksam.

3. "Überwachung" im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten erhoben und (jedenfalls in der Regel) irgendwie aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen; zur Überwachung "bestimmt" (objektiv-finales Kriterium) sind technische Einrichtungen dann, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen über Beschäftigte zu erheben und aufzuzeichnen, wobei es auf die subjektive Überwachungsabsicht (subjektiv-finales Kriterium) der Arbeitgeberin nicht ankommt.

4. Die Verwendung von "Google Maps" im Rahmen der Kontrolle von Fahrgeldabrechnungen fällt nicht unter den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG; auch soweit es sich um eine technische Einrichtung handelt, fehlt dieser doch die Bestimmung zur Überwachung und das Erfordernis der Unmittelbarkeit.

 

Normenkette

BetrVG § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 26.01.2011; Aktenzeichen 12 BV 30/09)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. Januar 2011 - 12 BV 30/09 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob es die Arbeitgeberin zu unterlassen hat, im Betrieb "Google Maps" anzuwenden, solange eine Einigung der Betriebsparteien nicht erzielt bzw. durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin ist ein Logistikunternehmen, welches zum Konzern D.P.DH. gehört. Sie bietet Paket- und Kurierdienstleistungen an. Der Antragsteller und Beteiligte zu 1. ist der für die Standorte Ha., Ne., Br. und Han. gebildete Betriebsrat.

Im Konzern D.P.DH. gilt die Konzernbetriebsvereinbarung "Informationstechnologie des Konzerns D.P. A." vom 20. August/22. September 2004 (nachfolgend: KBV 2004). Die KBV 2004 beschreibt und regelt das Verfahren für die IT-mäßige Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten. Wegen der Einzelheiten der Regelungen der KBV 2004 wird auf die Anlage 1 der Beteiligten zu 2. (Bl. 31 bis 43 d.A) Bezug genommen. In einer Anlage 1 zur KBV 2004 (Bl. 64 d.A.) ist unter der laufenden Nummer 39 das Arbeitsplatzsystem APS 2002 genannt und unter der Spalte "KBR-Beschluss" hierzu eingetragen "6.12.2005". Bei APS 2002 handelt es sich ebenso wie bei dem Nachfolgesystem APS 2009 um ein System, welches dem Benutzer auf der Basis des Betriebssystems Microsoft Windows XP ein Arbeitsplatzsystem mit anwendungsübergreifenden Programmen zur Verfügung stellt (u.a. den Microsoft Internet Explorer, vgl. die angegebenen Grundleistungen in der Anlage 3 der Arbeitgeberin, Bl. 43 d.A.). Mittlerweile verwendet die Arbeitgeberin das vergleichbare Arbeitsplatzsystem "Global Core Build", welches nicht in der Anlage 1 der KBV 2004 aufgelistet ist. Die Arbeitsplatzsysteme APS 2009 und "Global Core Build" sind derzeit die beiden Standards für die Beschäftigten im Konzern im Hinblick auf die IT-Ausrüstung des Arbeitsplatzes.

Die Bürosoftware "Microsoft Office XP" ist in der laufenden Nummer 41 zur Anlage 1 zur KBV 2004 erwähnt. In einem "Informationsdokument" ist unter 11.3 in Bezug auf die Anwender/Nutzer von APS 2002 und Microsoft Office XP unter "Angabe der nutzenden Konzerngesellschaften" die Arbeitgeberin unter ihrer vorherigen Firma "DH. Express Betriebs GmbH" genannt.

Als Anlage 31 zur KBV 2004 wurde vereinbart eine Regelung "Corporate Intranet" (auszugsweise Anlage 6 der Arbeitgeberin, Bl. 69 ff d.A.). Gemäß Nr. 6.2 des Informationsdokumentes (Anlage 7 der Arbeitgeberin, Bl. 72 d.A.) wird für den Betrieb des Corporate Intranet u.a. die Suchsoftware "Google Search Apppliance" eingesetzt.

Software wird im Konzern zentral verwaltet. Daten z.B. betreffend Gehaltsabrechnungen und andere personelle Angelegenheiten werden zwischen den einzelnen Konzernunternehmen ausgetauscht.

Bei der Fa. E.-K. GmbH, einer Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 2., besteht eine zwischen dem Gesamtbetriebsrat und dem Unternehmen abgeschlossene "Betrieb...

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