Leitsatz (amtlich)

Ein zur Wahlanfechtung berichtigender Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften liegt vor, wenn der Wahlvorstand einem Bewerber während der Wahl Einsicht in die Wählerliste gewährt und es diesem dadurch ermöglicht, festzustellen, wer bereits gewählt hat und wer nicht.

 

Normenkette

BetrVG § 19

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 13.10.1998; Aktenzeichen 17 BV 8/98)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1–7) wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Oktober 1998 – 17 BV 8/98 – abgeändert:

Die Wahl des Betriebsrates der Firma … vom 12. Mai 1998 wird für unwirksam erklärt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten zu 1) bis 7) sind Arbeitnehmer des Betriebes Nord der Beteiligten zu 8). In diesem Betrieb hat in der Zeit vom 12. bis 14. Mai 1998 die Betriebsratswahl stattgefunden. Aus dieser Wahl ist der Beteiligte zu 9) hervorgegangen. Auf die Wahlniederschrift wird im einzelnen Bezug genommen (Bl. 7 ff. d.A.). Das Wahlergebnis ist nach Darstellung der Beteiligten zu 1) bis 7) am 15. Mai 1998, nach Angabe der Beteiligten zu 8) und 9) am 14. Mai 1998 bekannt gegeben worden. Mit einem per Telefax am 28. Mai 1998 bei der Gemeinsamen Annahmestelle bei dem Amtsgericht Hamburg und am selben Tage durch Einwurf in dem Gerichtsbriefkasten des Ziviljustizgebäudes in Hamburg eingegangenen Antrag haben die Beteiligten zu 1) bis 7) die Wahl angefochten und im Laufe des Verfahrens weiter geltend gemacht, die Wahl sei nichtig.

Während des Wahlvorganges ist dem Bewerber auf der Arbeiterliste der Gewerkschaft … dem späteren Vorsitzenden des Beteiligten zu 9), Einblick in die Wählerliste gegeben worden. Dadurch ist dieser in die Lage versetzt worden, festzustellen, welche Arbeitnehmer ihr Wahlrecht noch nicht ausgeübt hatten. Herr … daraufhin veranlasst, dass einige Arbeitnehmer, die noch nicht gewählt hatten, angerufen wurden, um sie zur Stimmabgabe zu bewegen.

Die Beteiligten zu 1) bis 7) haben vorgetragen, dieser Vorgang stelle einen eklatanten Verstoß gegen das Wahlverfahren dar. Gerügt werde ein Verstoß gegen die Grundsätze der geheimen Wahl. Diese erfassten auch die freie Entscheidung jedes Arbeitnehmers, sein Wahlrecht nicht auszuüben.

Es sei im übrigen davon auszugehen, dass Herr … Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt habe, um diese zur Stimmabgabe zu bewegen.

Bereits bei einer Stimmabgabe weniger hätte sich eine geänderte Zusammensetzung des Betriebsrates ergeben können.

Die Beteiligten zu 1) bis 7) haben beantragt,

die Wahl des Betriebsrats der Firma … vom 12. bis 14. Mai 1998 für nichtig zu erklären,

hilfsweise,

die Wahl des Betriebsrats der Firma … vom 12. bis 14. Mai 1998 für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligten zu 8) und 9) haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, dass es keine Vorschrift gebe, die das Einsichtsrecht in die Wählerliste nach Beginn der Stimmabgabe untersage. Der Grundsatz der geheimen Wahl umfasse nur die eigentliche Stimmabgabe, nicht aber die Teilnahme an der Wahl.

Im übrigen haben sie bestritten, dass ein etwaiger Verstoß für das Wahlergebnis kausal gewesen sei.

Durch Beschluss vom 13. Oktober 1998 hat das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1) bis 7) ihre Anträge weiter.

Sie halten an ihrer erstinstanzlich vorgetragenen Rechtsauffassung fest und machen geltend, der wahlberechtigte Arbeitnehmer … sei bedrängt worden, noch am letzten Tag des Wahlvorganges mit dem Pkw von Cuxhaven nach Hamburg zu fahren, um dort seine Stimme abzugeben. Dies habe Herr … auch getan. Schon bei einer Stimme weniger für die Liste der … habe das Wahlergebnis beeinflusst werden können.

Die Beteiligten zu 1) bis 7) beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Oktober 1998 aufzuheben und die Wahl des Betriebsrates der Firma … … vom 12. bis 14. Mai 1998 für nichtig, hilfsweise für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligte zu 8) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, es werde bestritten, dass Herr … zur Wahlabgabe bedrängt worden sei. Er habe vielmehr, nachdem er die Information erhalten habe, dass seine Briefwahlunterlagen nicht eingegangen seien, aus freien Stücken und damit autonom die Fahrt von Cuxhaven nach Hamburg unternommen, um seine Stimme abzugeben. Im übrigen wisse niemand, für welche der Listen Herr … tatsächlich gestimmt habe.

Des weiteren verteidigt die Beteiligte zu 8) die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen.

Der Beteiligte zu 9) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die Ausführungen des Arbeitsgerichtes mit Rechtsausführungen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und ihrer ergänzenden Rechtsausführungen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 7) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes Hamburg...

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