Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtskräftige Feststellung über Mitbestimmungsrecht. Folgen für Individualstreitigkeiten. Zur Frage einer präjudizielle Wirkung eines Beschlussverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Wird in einem Rechtsstreit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber rechtskräftig festgestellt, dass ein Mitbestimmungsrecht nicht besteht, gilt diese Feststellung auch für die einzelvertraglichen Folgen. Arbeitnehmer können sich gegenüber Maßnahmen des Arbeitgebers dann nicht weiterhin auf die angebliche Verletzung eines Mitbestimmungsrechts berufen. Insoweit hat das Beschlussverfahren präjudizielle Wirkung (Im Anschluss an BAG, Urteil vom 10. März 1998 - 1 AZR 658/97 -, [...] und entgegen BAG, Urteil vom 15. Januar 1987 - 6 AZR 589/84 -, [...]).

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1; BGB § 611; ZPO § 325; TVG § 4 Abs. 1; BGB §§ 307-308

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.03.2013; Aktenzeichen 5 Ca 5980/12)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.03.2013 - 5 Ca 5980/12 - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Zur Klarstellung wird der Tenor wie folgt neu gefasst:

    • 1.

      Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.993,85 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.11.2012 zu zahlen.

    • 2.

      Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Gehaltstarifverträge beziehungsweise Entgelttarifverträge für die Hessische Metallindustrie in der jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden.

    • 3.

      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger allein.

  • IV.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, Tariferhöhungen auf eine sog. "übertariflichen Zulage" anzurechnen.

Der Kläger ist seit dem 01.05.1988 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin in deren Betrieb in F. beschäftigt. Die Beklagte ist nicht (mehr) tarifgebunden. Auf das Arbeitsverhältnis finden jedoch - mittlerweile unstreitig - kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Hessen Anwendung.

Im Anstellungsvertrag vom 14. / 20.01.1988 ist Folgendes vereinbart:

"Als Vergütung für Ihre Tätigkeit, die nach Tarifgruppe T 5 bewertet wird, zahlen wir Ihnen ein monatliches Bruttogehalt von

DM ...,

das sich gemäss dem derzeit gültigen Manteltarifvertrag der Hessischen Metallindustrie wie folgt zusammensetzt:

Grundgehalt: T5/n. 28 DM ...

freiwillige, jederzeit widerrufliche übertarifliche Zulage DM ...

Brutto: DM ...

zahlbar jeweils am Ende eines Monats...."

Zuletzt machte die übertarifliche Zulage 325,18 € brutto aus. Unstrittig ist der Kläger infolge Höhergruppierung mittlerweile in die Tarifgruppe T6 eingruppiert.

Am 29.06.2010 entschied die Beklagte, die zwischen der IG Metall und der VME Hessen vereinbarten Erhöhungen des Tarifentgelts von

4,1 % ab dem 01.06.2007,

1,7 % ab dem 01.06.2008,

2,1 % ab dem 01.02.2009,

2,1 % ab dem 01.05.2009,

2,7 % ab dem 01.04.2011 und

4,3 % ab dem 01.05.2012

auf die übertarifliche Zulage anzurechnen.

Mit der Klage begehrt der Kläger - soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung - die ungekürzte Beibehaltung der übertariflichen Zulage und Nachzahlung der sich danach für die Zeit von Oktober 2008 bis Oktober 2012 ergebenden Entgeltdifferenzen. Wegen der weiteren Einzelheiten seines erstinstanzlichen Vorbringens sowie der zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, auf der Grundlage der zu dieser Rechtsfrage bestehenden ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes berechtigt gewesen zu sein, die freiwillig gewährte übertarifliche Zulage auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung auf die Tariferhöhungen anzurechnen.

Mit Urteil vom 28.03.2013 hat das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben und darauf erkannt, dass der Kläger wegen der grundsätzlichen Bindung an die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Hessen zwar dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung des danach jeweils maßgeblichen Tarifentgelts habe, aber die Beklagte auch berechtigt sei, die sich daraus ergebenden Erhöhungen auf die übertarifliche Zulage anzurechnen. Bei Anwendung der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze spreche nichts gegen eine Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die dem Kläger gezahlte übertarifliche Vergütung. Da die Beklagte sich entschlossen habe, die Tariflohnerhöhung vollständig auf die übertarifliche Zulage anzurechnen, seien auch keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates missachtet worden. Wegen der Details seiner rechtlichen Begründung und insbesondere wegen des zugrundeliegenden Rechenwerks wird auf die Gliederungspunkte II.2.b) und c) der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Mit seiner Berufung, wegen deren Details auf die Berufungsbegründung verwiesen wird, wend...

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