Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme eines Arbeitnehmers für Schäden durch sogenanntes “Spoofing„

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Anspruchsvoraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs bei sogenannter "Spoofing", wenn eine Haftung des Arbeitnehmers im konkreten Fall grobe Fahrlässigkeit vorausetzt, die hier verneint wurde.

2. Einzelfrage zum Regressverzicht aufgrund allgemeiner Versicherungsbedingungen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Vermögens- bzw. Vertrauensschadenversicherer einer Tankstelle ist gehindert, einen Mitarbeiter für Schäden durch sogenanntes "Spoofing" in Anspruch zu nehmen. Das gilt jedenfalls dann, wenn den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein zumindest konkludenter Regressverzicht hinsichtlich Arbeitnehmer der Versicherten zu entnehmen ist (hier: bejaht).

2. Es stellt sich nicht als treuwidrig dar, wenn sich ein im Regresswege in Anspruch genommener Arbeitnehmer auf eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist beruft.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 280 Abs. 1; VVG § 86 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 21.02.2017; Aktenzeichen 2 Ca 935/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 21.02.2017 (2 Ca 935/16) wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung.

Die Arbeitgeberin der Beklagten betreibt eine Tankstelle und hatte bei der Klägerin eine Versicherung abgeschlossen. Auf die Vermögensschutzpolice nebst entsprechenden Versicherungsbedingungen (Bl. 175 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Dort heißt es auszugsweise:

"Vertrauenspersonen sind sämtliche Personen nach § 2 Nr. 10 B. VermögensschutzPolice: Arbeitnehmer (...)"

In den "Allgemeinen Bedingungen für die S.-VermögensschutzPolice (B. VermögensschutzPolice) heißt es auszugsweise:

"§ 1Gegenstand der Versicherung und Versicherungsfälle

(...)

5. Wissentliche Pflichtverletzung

Dem versicherten Unternehmen entsteht ein unmittelbarer Schaden, der durch eine Vertrauensperson während ihres Einschlusses in die Versicherung verursacht wird durch wissentliches Abweichen von Vorschriften, Anweisungen des Versicherungsnehmers oder durch eine sonstige wissentliche Pflichtverletzung. (...)

§ 9 Fahrlässiges Mitwirken, Strafverfolgung

1.Eine Entschädigung setzt nicht voraus, dass Vertrauenspersonen, die bei der Entstehung eines Schadens nur fahrlässig mitgewirkt haben, zivilrechtlich in Anspruch genommen werden. S. verzichtet bei diesen Personen auf einen Regress."

Die Beklagte war in der Tankstelle seit dem 21.06.2015 in Teilzeit als Kassiererin beschäftigt. Der zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

"§ 13 Verfallklausel

(1)Sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, mit Ausnahme von Ansprüchen, die aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen resultieren, sind von beiden Vertragsparteien innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit der jeweils anderen Vertragspartei schriftlich gegenüber geltend zu machen. Erfolgt diese Geltendmachung nicht, gelten die Ansprüche als verfallen.

(2)Der Fristablauf beginnt, sobald der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsberechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(3)Ansprüche, die durch strafbare oder unerlaubte Handlungen entstanden sind, unterfallen nicht der vereinbarten Ausschlussfrist.

(4)Werden die nach Abs. (1) rechtzeitig geltend gemachten Ansprüche von der Gegenseite abgelehnt oder erklärt sich die Gegenseite nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung, so verfallen diese, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich anhängig gemacht werden.

(5)Wird der Anspruch nicht formgemäß und innerhalb der Fristen geltend gemacht, führt dies zum Erlöschen des Anspruchs.

(6)Vorstehendes gilt nicht für Ansprüche auf Mindestentgelt und dem Mindestlohngesetz (MlLoG) oder anderen rechtlichen Regelungen eines Mindestentgelts, wenn danach von Vorstehendem zugunsten des Arbeitsnehmers abweichende Bestimmungen zu beachten sind."

Die Einarbeitung der Beklagten erfolgte durch eine andere Mitarbeiterin an ein bis zwei Tagen. Unstreitig gab es die Anweisung, dass Codes von Telefonkarten nicht über das Telefon herausgegeben werden dürfen. Dabei wird von den Parteien teilweise unterschiedlich dargestellt, wie und mit welchem Inhalt diese Anweisung der Beklagten zur Kenntnis gebracht wurde. Allerdings fragte das Kassensystem bei jedem Scanvorgang einer Telefonkarte automatisch ab, ob man auf telefonische Anweisung handelte. Wurde diese Frage bejaht, wurde der Bezahlvorgang vom System sofort abgebrochen.

An dem Arbeitsplatz war ferner die Telefonnummer der Firma T. & C., die für die Betreuung des gesamten Betriebssystems der Tankstelle ...

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