Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung. Fortsetzung des Arbeitsvertrages aus Vertrauensschutz bei Betriebsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Arbeitgeber ist es aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verwehrt, sich auf die Wirksamkeit einer wegen beabsichtigter Betriebsstillegung ausgesprochenen Kündigung zu berufen, wenn er noch während der laufenden Kündigungsfrist diese Absicht wieder aufgegeben und den Betrieb veräußert hat.

 

Normenkette

KSchG 1969 § 1; BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 04.04.1995; Aktenzeichen 7 Ca 4750/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.02.1997; Aktenzeichen 2 AZR 160/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 04.04.1995 – 7 Ca 4750/94 – teilweise abgeändert und festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet war, die Klägerin zum Zeitpunkt der Betriebsübernahme durch die Firma D. D. KG zu den bisherigen Vertragsbedingungen auch über den 31.03.1995 hinaus weiterzubeschäftigen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach einer Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung und dem Wegfall dieses Kündigungsgrundes während der laufenden Kündigungsfrist infolge Betriebsveräußerung.

Die 1947 geborene Klägerin war seit dem 11.08.1980 bei der Firma D. W. D. K. GmbH & Co. KG als Montage- und Maschinenarbeiterin im Werk R. tätig. Insgesamt wurden in diesem Werk 100 Arbeitnehmer mit der Herstellung von Werkzeugen und schwerpunktmäßig der Produktion von Rohrzangen beschäftigt.

Am 18.07.1994 stellte die Firma D. den Antrag auf Eröffnung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens. Der angestrebte Vergleich kam nicht zustande und am 30.09.1994 wurde über das Vermögen der Firma D. das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Der Beklagte ist zum Konkursverwalter bestellt worden.

Am 19.10.1994 schloß der Beklagte mit dem Betriebsrat der Firma D. einen Interessenausgleich ab, nach dessen Inhalt der Betrieb der Gemeinschuldnerin zum 31.10.1994 stillgelegt werden sollte und über diesen Zeitpunkt hinaus nur noch die zur Konkursabwicklung benötigten Arbeitnehmer beschäftigt werden sollten.

Der Beklagte hatte ab Konkurseröffnung den Einkauf von neuem Schmiedematerial für die Produktion eingestellt. Die Produktion sollte nur noch befristet fortgesetzt werden, um die noch vorhandenen Rohmateralien, Halb- und Fertigwaren zu Fertigprodukten zu verarbeiten und marktgerecht zu verkaufen.

Mit Zustimmung des Betriebsrats kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 26.10.1994 fristgerecht zum 31.03.1995 wegen beabsichtigter Betriebsstillegung. Zugleich kündigte er aus diesem Grunde die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin.

Am 07.12.1994 wurde das Anlage- und Vorratsvermögen der Gemeinschuldnerin von der Firma D. D. KG, vertreten durch K. D. und G. Verwaltungs-GmbH (im folgenden: Erwerberin) übernommen, die zugleich das Betriebsgrundstück von der A. K. Beteiligungsgesellschaft erwarb. Die Produktion im Beschäftigungsbetrieb der Klägerin wurde ohne Unterbrechung von der Erwerberin fortgesetzt. Diese war auch bereit, die Klägerin über den 31.03.1995 hinaus auf der Grundlage eines neuen Arbeitsvertrages weiterzubeschäftigen. Die Klägerin lehnte einen solchen Vertragsneuabschluß ab und beanspruchte die Weiterbeschäftigung zu ihren bisherigen Vertragsbedingungen.

Mit der am 27.10.1994 beim Arbeitsgericht eingereichten Kündigungsschutzklage hat die Klägerin auch den Weiterbeschäftigungsanspruch geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, ein Kündigungsgrund sei nicht gegeben, da der Betrieb der Gemeinschuldnerin nicht stillgelegt, sondern von der Erwerberin übernommen worden sei und von dieser spätestens seit Anfang Dezember 1994 fortgeführt werde.

Der Beklagte hat geltend gemacht, daß er zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs zur Stillegung des Betriebes ernsthaft entschlossen gewesen sei, da für ihn bereits Mitte Oktober 1994 festgestanden habe, daß ein Betriebserwerber nicht mehr zu finden sei.

Durch Urteil vom 04.04.1995 – 7 Ca 4750/94 – hat das Arbeitsgericht Wuppertal die Kündigungsschutzklage sowie den Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Beklagte sei zum maßgeblichen Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs zur Einstellung des Betriebes ernsthaft entschlossen gewesen, weil er keinen Betriebserwerber gefunden hätte. Die Kündigung beruhe auf diesem Entschluß und sei deshalb sozial gerechtfertigt. Wegen der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.1995 könne die Klägerin darüber hinaus keine Weiterbeschäftigung mehr beanspruchen. Zur näheren Sachdarstellung und wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Streitstandes wird im übrigen auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des dem Beklagten am 31.05. und der Klägerin am 07.06.1995 zugestellten Urteils Bezug gen...

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