Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des Betriebsübergangs i.S. von § 613a BGB

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle eines bloßen Gesellschafterwechsels ist die Richtlinie 2001/23/EG nicht einschlägig.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Liegt lediglich ein Gesellschafterwechsel vor, so handelt es sich nicht um einen Betriebsübergang i.S. von § 613a BGB (BAG - 8 AZR 803/06 - 14.08.2007).

2. Ein "Unternehmensübergang" in Form eines bloßen Gesellschafterwechsels ohne einen Wechsel des Betriebsinhabers bzw. Arbeitgebers wird von der Richtlinie 2001/23/EG nicht erfasst, auch wenn dort vom "Übergang von Unternehmen" die Rede ist.

 

Normenkette

EGRL 23/2001 Art. 3 Abs. 1 S. 1; BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 13.03.2014; Aktenzeichen 1 Ca 81/14)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 13.03.2014 - 1 Ca 81/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der TVöD auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden ist sowie über hieraus zu Gunsten der Klägerin resultierende Vergütungsdifferenzen.

Die Klägerin ist auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 27.09.1984 bei der Beklagten, die mit der Fachklinik Rhein/Ruhr in Essen-Kettwig eine große Rehabilitationsklinik betreibt, beschäftigt.

In dem schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 28, 29 d. A.) findet sich u. a. folgende Regelung:

§ 2

Tarifvertrag

Für das Arbeitsverhältnis geltend entsprechend die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 (einschließlich der Anlagen 1 a und 1 b zum BAT), die diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung und die für die FRR erlassenen Betriebsvereinbarungen, Dienstanweisungen und Richtlinien, soweit in diesem Arbeitsvertrag nicht ausdrückliche Regelungen getroffen sind.

Mit Wirkung zum 01.01.2002 wurde die N. AG Gesellschafterin der Beklagten.

Die Parteien streiten bereits seit Jahren über die Frage, ob der Klägerin eine Vergütung nach den Entgelttabellen des TVöD zusteht.

Im Jahr 2004 verhandelte die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di zwei Notlagentarifverträge. Diese Tarifverträge wurden mangels Zustimmung der Gewerkschaft nicht abgeschlossen, aber von der Beklagten trotzdem angewandt. Die Klägerin wandte sich gegen die dadurch entstandene Kürzung ihrer Vergütung in dem Verfahren 7 Ca 3925/09 vor dem Arbeitsgericht Essen. In diesem Verfahren erging am 12.02.2010 ein Urteil, das (auszugsweise) folgenden Tenor hatte:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Entgelt nach Entgeltstufe 7A) der KR - Anwendungstabelle (Anl. 6 zum TVÜ - VKA Stufe 6) zu zahlen (derzeit 2737,64 € brutto).

In den folgenden Jahren war die Klägerin mehrfach gezwungen, Vergütungsdifferenzen vor dem Arbeitsgericht Essen einzuklagen.

Am 09.04.2008 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung, in der neben einer Garantieerklärung für Verpflichtungen der Beklagten durch deren Muttergesellschaft auch ein Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen geregelt ist, soweit 95 % der Mitarbeiter mit BAT-Verträgen einer Änderung dahingehend zustimmten, dass der BAT statisch auf dem Stand vom 31.01.2003 gelte.

In dem vorliegenden Rechtsstreit ist die Vergütung der Klägerin für die Monate Januar bis Dezember 2013 Streitgegenstand. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der TVöD auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar sei. Insoweit verweist er auf das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 12.02.2010.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 6.034,37 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der TVöD in der aktuellen Fassung finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Die Beklagte habe auf den TVöD keinen Einfluss. Als Unternehmen des Privatrechts habe sie noch nicht einmal die Möglichkeit, dem zuständigen Arbeitgeberverband beizutreten. Hieraus ergebe sich aufgrund europarechtlicher Vorschriften, dass die aufgrund eines Betriebsübergangs wirkenden Kollektivverträge nicht dynamisch für die Beklagte als Betriebsübernehmerin Geltung fänden. Insoweit verweist die Beklagte auf das Urteil des EuGH vom 18.07.2013 - C - 426/11 -.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den vorangegangenen rechtskräftigen Urteilen des Arbeitsgerichts Essen, die nach Auffassung der Beklagten keine Wirkung für die Zukunft entfalteten. Zumindest sei aber von einer Durchbrechung der Rechtskraft durch das Urteil des EuGH auszugehen. Der TVöD könne lediglich in der Fassung der Betriebsvereinbarung vom 09.04.2008 Anwendung finden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 13.03.2014 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund des Urteils des hier relevanten Vorprozesses zwischen den Parteien rechtskräftig die zwischen ihnen maßge...

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