Entscheidungsstichwort (Thema)

Präklusion. Kündigung wegen Erstattung einer Strafanzeige. Wirksamkeit von verhaltensbedingten Kündigungen. Verbrauch von Kündigungsgründen. Erforderlichkeit einer Abmahnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist in einem Kündigungsverfahren entschieden, dass eine bestimmte Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat, kann der Arbeitgeber die Kündigung nicht auf Gründe stützen, die in einem Prozess geprüft worden sind. Für den Verbrauch ist entscheidend, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Vorwurf im Verhältnis zum Erstprozess um einen neuen Kündigungssachverhalt handelt. Es reicht auch ein wesentlich anderer Sachverhalt aus.

2. Eine erlaubte und erwünschte Strafanzeige kann regelmäßig nicht zu zivilrechtlichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen. Erforderlich ist aber stets eine Abwägung der beiderseitigen Interessen am Maßstab der praktischen Konkordanz.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.10.2011; Aktenzeichen 4 Ca 3895/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.07.2013; Aktenzeichen 2 AZR 994/12)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6.10.2011 abgeändert und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die weitere hilfsweise ordentliche Kündigung vom 14.04.2005 (Anlage K 7) aufgelöst worden ist.

  • 2.

    Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

  • 3.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  • 4.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von drei ordentlichen Kündigungen, darunter zwei Kündigungen vom 17.03.2005 und eine Kündigung vom 14.04.2005 sowie einen Auflösungsantrag und einen Antrag auf Wiedereinstellung.

Die Beklagte ist ein Luftverkehrsunternehmen. Ihre Rechtsvorgängerin ist die M. GmbH (Im Folgenden: "M."). Diese Gesellschaft ist am 1.4.2011 auf die Beklagte verschmolzen worden. Bei der M. bestand auf tarifvertraglicher Grundlage gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG die Personalvertretung Cockpit. Die M. beschäftigte ständig mehr als 10 Arbeitnehmer.

Der am 08.08.1958 geborene und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger war bei der M. seit dem 01.01.1989 beschäftigt, zuletzt als Flugkapitän. Das monatliche Bruttogehalt betrug zuletzt 14.000 EUR.

Der Kläger und die M. führen seit Herbst 2003 aufgrund einer Vielzahl gegenüber dem Kläger ausgesprochener Kündigungen diverse Verfahren über den Bestand des Arbeitsverhältnisses, die nach der Verschmelzung der M. auf die Beklagte durch diese fortgeführt werden.

Zunächst kündigte die M. das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis am 21.10.2003, 23.10.2003, 03.11.2003 sowie am 20.12.2004 jeweils fristlos. In sämtlichen Fällen ist zwischenzeitlich rechtskräftig festgestellt worden, dass diese Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht beendet haben. Ebenso steht zwischenzeitlich rechtskräftig fest, dass auch zwei am 24.06.2004 ausgesprochene ordentliche Kündigungen unwirksam sind. Insoweit haben die Parteien das Verfahren 11 Ca 1098/10 bei dem ArbG Düsseldorf und sodann das Verfahren 6 Sa 1231/10 bei dem LAG Düsseldorf geführt. Diese Verfahrensakten sind durch die erkennende Kammer beigezogen worden.

Am 17.01.2005 kündigte die M. das Arbeitsverhältnis erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht sowie durch weitere Kündigung vom gleichen Tage ordentlich. Auch diese Verfahren sind zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossen worden und es steht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch sie nicht aufgelöst worden ist.

Am 02.03.2005 kündigte die M. das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wiederum fristlos wegen eines behaupteten Abrechnungsbetrugs, Bl. 7 GA. Am 17.03.2005 kündigte die M. das Arbeitsverhältnis ordentlich und bezog sich dabei auf die Kündigung vom 02.03.2005, Bl. 27 GA. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis zudem durch weiteres Schreiben vom 17.03.205 fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.03.2006, Bl. 26 GA.. Am 14.04.2005 schließlich kündigte sie wiederum außerordentlich, hilfsweise ordentlich wegen einer vom Kläger erstatteten Strafanzeige. Diesen Kündigungen folgten weitere Kündigungen nach, die vom Kläger ebenfalls angegriffen worden sind und derzeit noch bei verschiedenen Kammern des Arbeitsgerichtes anhängig, aber im Hinblick auf das streitgegenständliche Verfahren ausgesetzt sind.

Gegenstand dieses Verfahrens sind die Kündigungen vom 02.03.2005, vom 17.03.2005 und vom 14.04.2005. Insoweit hat das Arbeitsgericht Düsseldorf zunächst durch Teilurteil vom 17.10.2007 über die fristlosen Kündigungen entschieden und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigungen nicht beendet worden ist. Die dagegen gerichtete Berufung der M. hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Verfahren 11 Sa 2052/07 am 12.06.2008 zurückgewiesen.

Im Streit sind deshalb noch die jeweils hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen 17.03.2005 (2 Kündigungen) und 14.04.2005.

1.

Kündigung vom 17.03.2005, Anlage K 3, Bl. ...

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