Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erfüllung des Freistellungsanspruchs bei Krankheit. Nachgewährung des Freistellungstags bei Arbeitsunfähigkeit. Wiederaufleben des Anspruchs auf tarifliches Zusatzgeld bei Nichtgewährung des Freistellungstags wegen unzulässiger Rechtsausübung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine Arbeitnehmerin an einem Tag, für den ihr die Arbeitgeberin eine Freistellung gemäß § 25 MTV gewährt hat, arbeitsunfähig erkrankt, so geht der Anspruch auf Freistellung nicht durch Erfüllung unter (Anschluss an LAG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2021 - 8 Sa 754/20).

2. Der Freistellungstag ist grundsätzlich nachzugewähren (Anschluss an LAG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2021 - 8 Sa 754/20).

3. Im - hier gegebenen - Einzelfall kann der Arbeitgeberin jedoch die Berufung auf den fortbestehenden Anspruch auf Nachgewährung des Freistellungstags aus Gründen der unzulässigen Rechtsausübung versagt sein mit der Folge, dass gemäß § 25.3 Abs. 3 Satz 2 MTV Metall- und Elektroindustrie NRW der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld gemäß TV T-ZUG wieder auflebt.

 

Normenkette

TV T-ZUG § 2 Nr. 2 Buchst. a); MTV Metall- und Elektroindustrie NRW § 25; GewO § 108 Abs. 1; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 26.08.2020; Aktenzeichen 6 Ca 630/20)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 26.08.2020 - 6 Ca 630/20 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung eines tariflichen Zusatzgeldes nach § 2 Nr. 2 a) des Tarifvertrages "Tarifliches Zusatzgeld für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens" vom 14. Februar 2018 (im Folgenden: TV T-ZUG).

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Mitarbeiterin auf Vollzeitbasis bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beidseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens, insbesondere der Manteltarifvertrag vom 08.11.2018 (im Folgenden: MTV), das Entgeltrahmenabkommen sowie der TV T-ZUG Anwendung.

Nach § 2 TV Nr. 1 T-ZUG erhalten Beschäftigte, die jeweils am 31.07. eines Kalenderjahres in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen 6 Monate angehört haben, ein tarifliches Zusatzgeld (T-ZUG) nach näherer Maßgabe des § 2 Nr. 2.

In § 25 MTV heißt es - wie zuvor inhaltsgleich in § 3d EMTV in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 14.02.2018 - unter der Überschrift "Freistellungszeit statt T-ZUG (A)" auszugsweise wie folgt:

"Beschäftigte können nach Maßgabe nachfolgender Bestimmungen verlangen, statt des tariflichen Zusatzgeldes (A) nach § 2 Ziff. (1) a) TV T-ZUG eine Freistellung in Anspruch zu nehmen.

25.1 Anspruchsberechtigte

Die Möglichkeit, eine bezahlte Freistellung in Anspruch zu nehmen, besteht für folgende Beschäftigungsgruppen:

...

25.2 Geltendmachung

...

25.3 Freistellungsumfang

Der Freistellungsanspruch beträgt 8 Tage für Beschäftigte, bei denen sich die Arbeitszeit regelmäßig auf 5 Tage pro Woche verteilt.

Grundsätzlich erfolgt die Inanspruchnahme in Form von ganzen freien Tagen, vergleichbar dem Verfahren bei der Urlaubsentnahme. Arbeitgeber und Beschäftigter können sich einvernehmlich auch auf eine hiervon abweichende Inanspruchnahme verständigen.

Bei der zeitlichen Festlegung der Freistellung sind die Wünsche des Beschäftigten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten zu berücksichtigen.

Kann der Freistellungsanspruch aus personenbedingten Gründen nicht oder nicht vollständig im Kalenderjahr genommen werden, geht der Freistellungsanspruch unter. Im Umfang der nicht realisierten Freistellungstage besteht der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld (A) nach § 2 Ziff. Nr. 2 a) TV T-ZUG.

Endet das Arbeitsverhältnis nach Realisierung der Freistellungstage vor 31. Juli eines Kalenderjahres, ist die Differenz im Arbeitsentgelt zu verrechnen.

Die Ausübung einer Nebenbeschäftigung während der Freistellungszeit ist nicht zulässig."

Auf Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin - in deren Person die näheren tariflichen Voraussetzungen des § 25 MTV bzw. des TV T-ZUG erfüllt waren - für den Zeitraum vom 11.06.2019 bis zum 21.06.2019 acht Freistellungstage i.S.d. § 25 MTV. Auf die mit der Klageschrift vorgelegte Kopie eines entsprechenden "Bestätigungsschreibens" wird Bezug genommen.

In der Zeit vom 23.05.2019 bis einschließlich 21.06.2019 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 21.07.2019 machte sie unter Berufung auf § 25.3 MTV die Zahlung des tariflichen Zusatzgeldes in unstrittiger Höhe von € 880,-- geltend. Ausweislich ihres Schreibens vom 06.08.2019, wegen dessen vollständigem Inhalt auf die mit der Klageschrift zu den Akten gereichte Kopie verwiesen wird, verweigerte die Beklagte die Zahlung mit der Begründung, § 25.3 MTV bilde lediglich den Fall ab, dass der Beschäftigte noch nicht fixierte Freistellungstage aus personenbedingten Gründen nicht nehmen ...

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