Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanabfindung. Gleichbehandlung. Altersdiskriminierung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Sozialplanregelung, wonach sich die zu beanspruchende Sozialplanabfindung für ältere Arbeitnehmer um einen Betrag kürzt, der kontinuierlich mit jedem Lebensmonat nach Vollendung des 60. Lebensjahres um 1/60 ansteigt, verstößt jedenfalls dann nicht gegen § 75 Abs. 1 BetrVG und den von den Betriebspartnern danach zu beachtenden Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn der mit einer Sozialplanabfindung verfolgte Zweck, den betroffenen Arbeitnehmern eine Überbrückungshilfe bis zu einem neuen Arbeitsverhältnis oder bis zum Beginn des Altersruhegeldes zu gewähren, angesichts der Höhe des auch nach Kürzung verbleibenden Abfindungsbetrages nicht in Frage steht.

2. Eine solche Regelung beinhaltet auch keinen Verstoß gegen das AGG.

 

Normenkette

BetrVG § 75 Abs. 1; AGG § 10 S. 3 Nr. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Urteil vom 14.02.2008; Aktenzeichen 5 Ca 3251/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.03.2010; Aktenzeichen 1 AZR 832/08)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 14.02.2008 – 5 Ca 3251/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob es rechtens ist, den aus einem Sozialplan erwachsenden Abfindungsanspruch für ältere Arbeitnehmer zu kürzen.

Der am 01.07.1946 geborene Kläger war vom 24.05.1965 bis zum 30.11.2007 bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 3.160,39 EUR beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung wegen Stillegung des Betriebs. Über den Ausgleich bzw. die Milderung der damit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile schlossen die Betriebspartner den Sozialplan vom 23.03.2007, der unter den Ziffer 3 folgende Regelungen enthält:

„c)

Abfindungsformel

Anspruchsberechtigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben einen Anspruch auf eine individuell berechnete Abfindung, die sich nach der folgenden Formel berechnet:

Lebensalter × Betriebszugehörigkeit × Bruttomonatsentgelt

X

Der Faktor „X” wird wie folgt bestimmt:

Die Gesellschaft stellt für diesen Sozialplan eine Summe zur Verfügung, welche die Einigungsstelle durch Spruch festlegen soll.

Die Betriebspartner legen gemeinsam die Zahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fest, welche nach den Regeln dieses Sozialplans anspruchsberechtigt sind.

Danach errechnen sie gemeinsam die Summe der Zahlungen nach Ziffer 3 e dieses Sozialplans.

Diese Summe ziehen sie von der durch Spruch der Einigungsstelle festgesetzten Gesamtdotierung ab und errechnen sodann gemeinsam den sich nunmehr ergebenden Divisor bis zur ersten Stelle hinter dem Komma, wobei die zweite Stelle kaufmännisch auf- oder abgerundet wird. Danach wird diese Zahl in die obige Formel anstelle des Buchstaben „X” eingesetzt.

Soweit nach rechnerischer Festlegung der Abfindungen ein Anspruch nicht oder nicht in voller Höhe aus den in diesem Sozialplan festgelegen Gründen besteht, steht diese Summe der Gesellschaft zu.

d)

Abfindung für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bei außerordentlicher Eigenkündigung.

Die Abfindung nach Ziffer 3 c vermindert sich für Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen nach Vollendung des 60. Lebensjahres für jeden weiteren Monat zum 1/60stel. Stichtag ist der letzte Tag des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses.

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die ihr Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2006 durch außerordentliche Eigenkündigung aufgelöst haben oder auflösen werden, erhalten 50 % der Abfindung gem. Ziffer 3 c.”

Die Höhe des für sämtliche Abfindungsleistungen von der Beklagten zur Verfügung zu stellenden Gesamtbetrages wurde durch Spruch der Einigungsstelle auf 4,55 Mio. EUR festgesetzt. Von den Kürzungen gemäß Ziffer 3 d) des Sozialplanes waren 4 ältere Arbeitnehmer betroffen, darunter der Kläger. Der Gesamtbetrag der Kürzungen belief sich auf 311.685,00 EUR. Dieser Betrag wurde zur Erhöhung der Abfindung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verwendet. Als Bestandteil des Gesamtbetrages, der für Abfindungen zur Verfügung stand, kam er allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugute, deren Abfindungen sich entsprechend der Regelung in Ziffer 3 c) des Sozialplanes erhöhten.

Da der Kläger zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis 61 Jahre und fünf Monate alt war, reduzierte die Beklagte die sich nach der Berechnungsformel ungekürzt auf 153.513,02 EUR belaufende Abfindung gemäß Ziffer 3 d) um 43.495,36 EUR (153.513,02 × 17: 60) auf 110.017,66 EUR und zahlte den sich unter Hinzurechnung eines unstrittigen Schwerbehindertenzuschlags von 3.000,00 EUR ergebenden Gesamtbetrag von 113.017,66 EUR an den Kläger aus.

Mit der am 20.11.2007 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung des Differenzbetrages von 43.495,36 EUR zur ungekürzten Abfindung. Mit der Klageschrift hat er die Position bezogen, die im Sozialplan vorgesehene Verminderung der Abfindung aufgrund seines Alters stelle eine Altersdiskrimini...

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