Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungspflicht von Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vom Arbeitgeber angeordneten Fahrten mit einem für die Erfüllung der Arbeitsaufgaben benötigten Hubwagen sind gemäß § 611 Abs. 1 BGB vergütungspflichtig.

2. Im Anwendungsbereich des Entgeltrahmenabkommens der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein - Westfalen vom 29.05.2013 ist für derartige Fahrten der Tariflohn zu zahlen. Die in § 5 dieses Tarifvertrages geregelten Aufwandsentschädigungen beinhalten kein Entgelt als Gegenleistung für die vorgenannten Tätigkeiten.

 

Normenkette

BGB § 611; TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Entscheidung vom 03.09.2015; Aktenzeichen 2 Ca 306/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.10.2016; Aktenzeichen 5 AZR 226/16)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 03.09.2015 - AZ: 2 Ca 306/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Vergütung von Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen in der Zeit von März bis Dezember 2014.

Der Kläger ist seit dem 01.09.1999 bei der Beklagten als Elektriker zu einem monatlichen Bruttoentgelt von ca. 2.370,00 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen Anwendung. Der Kläger wird gemäß der Entgeltgruppe 5 des einschlägigen Entgeltrahmenabkommens vergütet, was in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum einem Stundenlohn von 14,64 € entsprach.

Der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 05.11.2013 (im Folgenden: MTV) enthält u.a. folgende Bestimmungen:

"§2 Arbeitszeit

1.1 Die tarifliche Regelarbeitszeit beträgt wöchentlich 36 Stunden. Sie kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf fünf Werktage in der Woche verteilt werden.

.....

13. An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gelten nicht als Arbeitszeit. Sofern der Gesundheitsschutz besondere Pausen erfordert, gelten diese als Arbeitszeit.

..."

§ 13 MTV sieht vor, dass - mit Ausnahme von Zuschlägen - sämtliche Ansprüche binnen einer Frist von drei Monaten schriftlich geltend zu machen sind.

Im Entgeltrahmenabkommen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen (im Folgenden "ERA" genannt) vom 29.05.2013 heißt es, sofern hier von Interesse:

"......

§5 Aufwandsentschädigung (Auslösungen)

1.Für alle Arbeiten außerhalb der Werkstatt (Betriebssitz) mit einer Entfernung von dieser bis zu 12 km in der Luftlinie wird nur das übliche Fahrgeld zur Benutzung des billigsten zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittels für Hin- und Rückweg vergütet. Falls der Weg des Arbeitnehmers von seinem Wohnsitz zur Außenarbeitsstelle kürzer ist, werden nur diese Fahrtkosten ersetzt. Für die Zone 1 gilt in Orten, in denen die Erreichung der Arbeitsstätte so behindert ist, dass der kürzeste zumutbare Anmarschweg die Luftlinienentfernung um mehr als 20% überschreitet, der tatsächlich kürzeste Anmarschweg.

2.Beträgt die Entfernung von der Werkstatt bis zur Außenarbeitsstelle mehr als 12 km in der Luftlinie, erhalten gewerbliche Arbeitnehmer bei wechselnden Einsatzstellen das Fahrgeld und Tagesaufwandsentschädigungen ab 01.08.2009 nach folgender Staffel bezahlt:

in der Zone 1 12-18 km

0,00 €

in der Zone 2 19-25 km

0,00 €

in der Zone 3 26-35 km

13,00 €

in der Zone 4 36-45 km

20,00 €

in der Zone 5 ab 46 km

25,00 €

Ist in Zone 1 der Weg von der Wohnung zur Montagestelle kürzer als der Weg von der Wohnung zum Betriebssitz, entfällt die Aufwandsentschädigung.

3.Bei der Auswärtsmontage mit Übernachtung wird anstelle der Aufwandsentschädigung ein Übernachtungsgeld/Tagegeld von 37,74 € pro Tag gewährt. ...

4.Der Anspruch auf Aufwandsentschädigung setzt die Einhaltung der vollen Arbeitszeit an der Montagestelle voraus. Wird der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Abholung von Materialien oder aus anderen Gründen zum Betrieb bestellt, gilt diese Zeit als an der Montagestelle verbrachte Arbeitszeit. Zur Berücksichtigung besonderer Verhältnisse (z.B. Gestellung von Unterkunft oder Verpflegung durch den Arbeitgeber, Transport mit Unternehmerfahrzeug usw.) kann eine abweichende vorherige Vereinbarung getroffen werden.

5....

Protokollnotiz zu § 5 Ziffer 3

Fällt die Reisezeit auf Anordnung des Arbeitgebers auf einen freien Tag (einschließlich Vorabend eines Sonnabends, Sonntags oder Feiertags), so ist die Reisezeit wie reguläre Arbeitszeit einschließlich der Zuschläge gemäß § 4 "Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer der Elektrohandwerke im Lande NRW (gültig ab 01. August 2009)" zu bezahlen.

......"

Der Kläger tritt morgens seinen Dienst im Betrieb der Beklagten an. Zunächst belädt er seinen Hubsteiger und hat dann meist eine kurze Einsatzbesprechung mit seinem Vorgesetzten, ehe er mit dem Hubsteiger zur ersten Baustelle fährt.

Während die Vor- und Nacharbeiten nach Tariflohn vergüte...

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