Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzelfallentscheidung zu der Frage des böswilligen Unterlassens anderweitigen Erwerbs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. a) Nach § 615 Satz 2 BGB muss sich der Arbeitnehmer den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er zu erwerben böswillig unterlässt; die Vorschrift ist inhaltsgleich mit § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG.

b) Beide Bestimmungen stellen darauf ab, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist.

2. a) Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben; sie kann ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen.

b) Böswillig handelt der Arbeitnehmer, dem ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert.

3. Eine Anrechnung kommt auch dann in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers im Verzug befindet.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 615 S. 2; GG Art. 12; KSchG § 11 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 09.02.2010; Aktenzeichen 8 Ca 1605/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.11.2011; Aktenzeichen 5 AZR 564/10)

 

Tenor

I.Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 09.02.2010 - 8 Ca 1605/09 - wird zurückgewiesen.

II.Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III.Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Annahmeverzug für den Zeitraum von Januar bis einschließlich Juli 2009 und zur Zahlung der seit dem 01.01.2009 geltenden tariflichen Gehaltserhöhung von 63,08 € brutto monatlich sowie die aufgrund der Tariflohnerhöhung erhöht abzuführende ZVK-Zulage.

Der am 12.07.1954 geborene, verheiratete Kläger, der einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, ist gemäß Arbeitsvertrag vom 10.12.1993 seit dem 01.01.1994 als Hausmeister bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von 2.520,01 € beschäftigt. Gemäß Ziffer 1 des Arbeitsvertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.

Ausweislich Ziffer 5 des Arbeitsvertrages ist für die Tätigkeit außerhalb der normalen Arbeitszeit eine Bereitschaftszulage als Pauschalabgeltung vorgesehen.

Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages im Einzelnen wird auf Bl. 6 - 8 der Akte Bezug genommen.

Unter dem Datum vom 24.01.2005 (Bl. 166 - 167) schlossen die Parteien eine Vereinbarung über die zur Verfügung Stellung eines Dienstwagens ab.

Die Parteien haben mittlerweile seit April 2007 eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten geführt.

Am 16.04.2007 versetzte die Beklagte den Kläger mit sofortiger Wirkung ab dem 17.04.2007 in die Abteilung Wohnumfeldpflege. Gegen diese Versetzungsanordnung erstritt der Kläger durch Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 20.09.2007 zu dem Az 8 Ca 1574/07 seinen vertraglichen Anspruch auf Beschäftigung als Hausmeister. Nach Zurückweisung ihrer Berufung legte die Beklagte eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht ein (5 AZN 941/08), die mit Beschluss vom 03.12.2008 zurückgewiesen wurde.

Zwischenzeitlich kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger mit Schreiben vom 19.05.2008 aus personenbedingten Gründen zum 31.12.2008 und stellte gleichzeitig einen Auflösungsantrag wegen von ihr behaupteter Beleidigungen von Vorgesetzten. Das der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal (4 Ca 1599/08) vom 24.11.2008 wurde durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.06.2009 (5 Sa 107/09) bestätigt.

Ebenfalls mit Schreiben vom 19.05.2008, das dem Kläger am 23.05.2008 zugegangen ist, versetzte die Beklagte den Kläger mit sofortiger Wirkung auf die Hausmeisterstelle U. straße und teilte ihm gleichzeitig mit, sie werde nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit entscheiden, ob sie ihn zunächst im Wege einer Zwischenbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens in der Wohnumfeldpflege oder auf der Hausmeisterstelle in der U. straße einsetzen werde.

Nachdem die mehr als ein Jahr andauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers, die auf einer psychischen Krankheit beruhte, am 17.06.2008 endete, nahm er ab dem 18.06.2008 unter Vorbehalt die Tätigkeit in der Abteilung Wohnumfeldpflege an und führte die dortigen Arbeiten aus.

Zur Wohnumfeldpflege gehören im Wesentlichen die Durchführung von gärtneri...

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