Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücktritt vom Aufhebungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das – wegen Nichtzahlung der vereinbarten Abfindung ausgeübte – gesetzliche Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers von einem Aufhebungsvertrag wird im allgemeinen nicht durch Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers ausgeschlossen.

2. Parallelverfahren zu 12 Sa 206/10 (Kammerurteil vom 28.04.2010).

 

Normenkette

BGB § 323; InsO §§ 21, 55, 103 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 21.08.2009; Aktenzeichen 4 Ca 911/09 lev)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.11.2011; Aktenzeichen 6 AZR 357/10)

 

Tenor

Die Berufungen des Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 21.08.2009 werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung tragen der Beklagte zu 1) zu 37,5 % und die Beklagte zu 2) zu 62,5 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A. Der Kläger streitet mit dem Beklagten zu 1) darüber, ob das Arbeitsverhältnis, das zwischen ihm und der Schuldnerin bestanden hat, aufgrund einer am 01.10.2007 geschlossenen Aufhebungsvereinbarung zum 31.12.2008 geendet oder ob er, der Kläger, unter dem 19.01.2009 den wirksamen Rücktritt von der Aufhebungsvereinbarung erklärt hat, weil die Schuldnerin wegen des zwischenzeitlich eingeleiteten Insolvenzeröffnungsverfahrens nicht die nach der Aufhebungsvereinbarung geschuldete Abfindung gezahlt hatte. Der Kläger nimmt weiterhin die Beklagte zu 2) als Betriebserwerberin auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und tatsächliche Weiterbeschäftigung in Anspruch; diese hält – wie der Beklagte zu 1) – entgegen, dass der Kläger von der Aufhebungsvereinbarung nicht habe zurücktreten können und daher das Arbeitsverhältnis zum 31.12. 2008 beendet worden sei.

Der am 01.08.1950 geborene Kläger war seit dem 23.10.1973 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt.

Im Jahre 2007 führte die Schuldnerin eine – von einem Interessenausgleich und Sozialplan vom 31.08.2007 begleitete – Restrukturierungsmaßnahme durch. Der Sozialplan ermöglichte gewerblichen Arbeitnehmern in einem Lebensalter ab 50 Jahren das freiwillige Ausscheiden gegen Abfindungszahlung. Daraufhin verständigten sich der Kläger und die Schuldnerin über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2008 gegen Abfindungszahlung. Nach § 5 des Aufhebungsvertrages vom 01.10.2007 sollte der Kläger zum Zeitpunkt der vereinbarten Beendigung eine Abfindung in Höhe vom EUR 110.500,00 erhalten.

Am 08.12.2008 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.12.2008 erinnerte der Kläger die Schuldnerin an die pünktliche Abrechnung der vereinbarten Abfindung. Die Schuldnerin zahlte nicht den Abfindungsbetrag aus, weil der Beklagte zu 1) als vorläufiger Insolvenzverwalter unter Hinweis auf die insolvenzrechtliche Massesicherungspflicht die Zustimmung zur Auszahlung verweigerte.

Mit Schreiben vom 09.01.2009 forderte der Kläger die Schuldnerin unter Fristsetzung bis zum 16.01.2009 zur Abrechnung und Auszahlung der Abfindung auf und kündigte gleichzeitig für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs den Rücktritt von der Aufhebungsvereinbarung an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.01.2009 erklärte er den Rücktritt. Am 01.03.2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger hat mit der am 05.02.2009 beim Arbeitsgericht Solingen gegen die Schuldnerin eingereichten Klage die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Aufhebungsvereinbarung vom 01.10.2007 zum 31.12.2008 beendet worden sei, sondern fortbestehe.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.03.2009 meldete der Kläger unter Hinweis auf die Rücktrittserklärung und das beim Arbeitsgericht rechtshängige Verfahren „höchst vorsorglich und zur Wahrung der insoweit geltenden Frist” den Abfindungsanspruch zur Insolvenztabelle an. Am 16.06.2009 erkannte der Beklagte zu 1) die Forderung zur Insolvenztabelle an.

Die Beklagte zu 2) übernahm als Betriebserwerbin nach § 613 a Abs. 1 BGB am 22.04.2009 den Betrieb der Schuldnerin und informierte mit Schreiben vom 23.04.2009 hierüber alle Mitarbeiter. Der Kläger, der dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen hatte, hat mit Klageerweiterung vom 22.05.2009 von der Beklagten zu 2) die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und seine tatsächliche Weiterbeschäftigung verlangt.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 21.08.2009 der Klage stattgegeben. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greifen die Beklagten im Umfang ihres jeweiligen Unterliegens das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an. Sie beantragen die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abwe...

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