Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung Anhang 5 (qualifizierte Öffnungsklausel)

 

Leitsatz (amtlich)

Die qualifizierte Öffnungsklausel in Ziffer 276 Nr. 3 Anhang 5 zum MTV ermächtigt den Arbeitgeber nicht, in betriebsratslosen Betrieben die Jahressonderzahlung ohne Zustimmung der Tarifvertragsparteien zu reduzieren.

 

Normenkette

Ziffer 276 (qualifizierte Öffnungsklausel) Anhang 5 zum MTV Feuerfest-/Säureschutzindustrie i.d.F. vom 01.04.2004

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 07.05.2008; Aktenzeichen 14 Ca 711/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.02.2010; Aktenzeichen 10 AZR 40/09)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.05.2008 – 14 Ca 711/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die restliche Jahressondervergütung für das Jahr 2007.

Der Kläger ist seit dem 06.05.1974 bei der Beklagten, die in E. regelmäßig 29 Arbeitnehmer beschäftigt, als Schlosser mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden und einem Stundenlohn von 17,72 EUR brutto beschäftigt. Bei der Beklagten besteht kein Betriebsrat.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Feuerfest-/Säureschutzindustrie Anwendung. Gemäß § 2 des Tarifvertrags über Jahressondervergütung, gültig ab dem 01.01.2007, beträgt die Jahressondervergütung für das Jahr 2007 für gewerbliche Arbeitnehmer 164,5 Tarifstundenentgelte.

Ziffer 276 des Anhangs 5 zum Manteltarifvertrag der Feuerfest-/Säureschutzindustrie vom 01.04.2004 – gültig ab dem 25.01.2007 – (im folgenden Ziffer 276) lautet:

Ziffer 276 (Qualifizierte Öffnungsklausel)

  1. „Arbeitgeber und Betriebsrat können ergänzend zu diesem Tarifvertrag freiwilliger Betriebsvereinbarungen im Sinne von § 77 Abs. 3 BetrVG unter Beachtung des § 46 Abs. 6 BetrVG abschließen.
  2. Die abweichenden betrieblichen Regelungen unterlägen dem Zustimmungsvorbehalt der Tarifvertragsparteien, die insbesondere prüfen, ob die Betriebsvereinbarung den Rahmen der Öffnungsklausel nicht überschreiten. Die Notwendigkeit der abweichenden Regelungen muss anhand nachvollziehbarer Kriterien begründet werden. Bei Einvernehmen der Betriebsparteien und Konformität mit den tariflichen Bestimmungen sollen die Tarifvertragsparteien ihre Zustimmung erteilen.
  3. In betriebsratslosen Betrieben erfolgt eine Anhörung der Belegschaft.
  4. Tarifliche Leistungen einschließlich Leistungen aus den Entgelttarifverträgen und den Tarifverträgen zur Jahressondervergütung können kumulativ bis zu einer jährlichen Gesamtgrößenordnung eines tariflichen Monatseinkommens nach Art, Höhe und Auszahlungszeitpunkt verändert werden. Ausgenommen hiervon sind folgende Bereiche dieses Manteltarifvertrages:

  5. Hauptzweck der ergänzenden Betriebsvereinbarungen sind durch Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen beschäftigungssichernde bzw. standortsichernde Maßnahmen.

    Beispielhaft können dies u.a. sein:

    • Sicherung und Förderung der Beschäftigung
    • die Qualifizierung der Arbeitnehmer
    • Alternativen zur Ausgliederung von Arbeit oder ihrer Vergabe an andere Unternehmen
    • Sicherung von Produktion- und Investitionsprogrammen.

Die Regelungen des § 92a BetrVG sind hiervon unberührt.”

Der Geschäftsführer der Beklagten beabsichtigte, die Jahressondervergütung 2007 im Dezember zu 50% auszuzahlen. Am 30.11.2007 fand hierzu bei der Beklagten eine Anhörung der Belegschaft statt.

Eine Zustimmung der Tarifvertragsparteien zur Kürzung der Jahressondervergütung wurde nicht eingeholt.

Für das Jahr 2007 zahlte die Beklagte an den Kläger die Hälfte der Jahressondervergütung (Stundenlohn 17,72 EUR brutto × 164,5 Stunden 2914,94 EUR brutto) in Höhe von 1457,47 EUR brutto.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die Jahressonderzuwendung ohne Zustimmung der Tarifvertragsparteien zu kürzen. Der Manteltarifvertrag enthalte keine Öffnungsklausel für betriebsratslose Betriebe.

Der Kläger hat beantragt,

  1. Die Beklagte zu verurteilen, 1457,47 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage an ihn zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sie berechtigt sei, einseitig die Jahressondervergütung zu kürzen. Die Ziffer 276 enthalte eine qualifizierte Öffnungsklausel für betriebsratslose Betriebe. Die Voraussetzungen unter denen die qualifizierte Öffnungsklausel eine Reduzierung der Jahressondervergütung zulasse, seien erfüllt gewesen. Die Belegschaft sei zuvor angehört worden. Die Maßnahme sei zur Sicherung der Beschäftigung erforderlich gewesen, da ansonsten Kurzarbeit oder zumindest eine betriebsbedingte Kündigung gedroht hätte. Im Oktober 2007 sei eine stark abflauende Tendenz im Geschäftsbetrieb der Beklagten festzustellen gewesen. Es sei ein akutes Einsparerfordernis von ca. 40.000 EUR festgestellt worden.

Mit Urteil vom 07.05.2008 hat das Arbeitsgericht der Klage auf Zahlung d...

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