Entscheidungsstichwort (Thema)

Gefährdungshaftung. Privat-PKW. Unfallgefahr. Mangelnde Verkehrstauglichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Rechtsprechung, nach der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die ohne Verschulden des Arbeitgebers am Pkw des Arbeitnehmers entstandenen Schäden zu ersetzen hat, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde, beruht auf einer Risikoverteilung nach Verantwortungsbereichen (vgl. BAG, Urteil vom 08.05.1980 – 3 AZR 82/79; BAG, Urteil vom 14.12.1995 – 8 AZR 875/94).

2. Eine Haftung des Arbeitgebers kommt deshalb in der Regel nicht in Betracht, wenn ein Unfall allein auf die Verkehrsuntauglichkeit des Fahrzeugs des Arbeitnehmers zurückzuführen ist (hier: mangelhafte Bereifung an einem kurz zuvor erworbenen Gebrauchtwagen). In diesem Fall realisiert sich keine mit der betrieblichen Tätigkeit untrennbar verbundene Unfallgefahr.

 

Normenkette

BGB § 670

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Urteil vom 09.06.2005; Aktenzeichen 4 Ca 677/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.11.2006; Aktenzeichen 8 AZR 701/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom09.06.2005 – 4 Ca 677/05 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den an ihrem Pkw entstandenen Schaden zu ersetzen.

Die Klägerin war in dem Zeitraum vom 02.08.2004 bis 15.02.2005 bei der Beklagten als Malerin/Lackiererin beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das u.a. Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Die Klägerin hatte sich im Arbeitsvertrag zu einem umfassenden Einsatz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet.

Am 17.12.2004 erlitt die Klägerin auf der Rückfahrt von einer Baustelle in Würzburg mit ihrem Pkw der Marke Ford Mondeo auf der Autobahn A3 einen Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug ins Schleudern geriet und sich anschließend mehrfach um die eigene Achse drehte. Der Unfall ereignete sich, weil an dem erst einen Monat zuvor zum Preis von 3.900,– EUR erworbenen Gebrauchtwagen ein an der Außenseite stark poröser Reifen geplatzt war. Der die Verkehrstauglichkeit ausschließende Bereifungsmangel lag bereits beim Kauf des Fahrzeugs vor. Er war für einen Laien allerdings nicht erkennbar. Der Verkäufer hatte der Klägerin im schriftlichen Kaufvertrag die Fahrbereitschaft des Fahrzeugs zugesichert. Nach dem Kostenvoranschlag einer Fachwerkstatt belaufen sich die Reparaturkosten auf 3.140,84 EUR einschließlich Mehrwertsteuer. Darin ist nach Angaben der Klägerin ein erst später festgestellter weiterer Schaden an der rückwärtigen Fahrzeugachse nicht enthalten.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin von der Beklagten nach vergeblicher vorgerichtlicher Geltendmachung Schadensersatz in Höhe von 3.900,– EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.02.2005 verlangt.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe auf ausdrückliche Weisung der Beklagten für die Fahrt nach Würzburg ihr eigenes Fahrzeug benutzt und außerdem einen Arbeitskollegen mitgenommen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte müsse für den Schaden in Höhe des Anschaffungspreises eintreten, da sie am Unfalltag den Pkw zu betrieblichen Zwecken eingesetzt habe.

Das Arbeitsgericht Oberhausen hat die Klage durch Urteil vom 09.06.2005, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Berufung bittet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den in beiden Rechtszügen vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin aus dem Verkehrsunfall im Dezember 2004 keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung des Sachschadens hat.

1. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die ohne Verschulden des Arbeitgebers am Pkw des Arbeitnehmers entstandenen Unfallschäden ersetzen, wenn das Fahrzeug ohne besondere Vergütung mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde (vgl. BAG, Urteil vom 08.05.1980, AP Nr. 6 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; BAG, Urteil vom 14.12.1995, AP Nr. 13 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; LAG Niedersachsen, Urteil vom 02.09.2004, NZA-RR 2005, 64 f.). Anspruchsgrundlage ist dabei § 670 BGB. Diese Vorschrift, die die Verpflichtung zum Ersatz von Aufwendungen regelt, die der Beauftragte den Umständen nach für erforderlich halten durfte, wird seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.11.1961 (Großer Senat, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers) entsprechend angewandt für vom Arbeitgeber nicht verschuldete Sachschäden des Arbeitnehmers, wenn diese im Gesamtzusammenhang...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge