Entscheidungsstichwort (Thema)

Vererbbarkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung

 

Leitsatz (amtlich)

Urlaubsabgeltungsanspruch des Erben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers (bejaht; entgegen BAG Urteil vom 12. März 2013 - 9 AZR 532/11 - AP Nr. 99 zu § 7 BUrlG Abgeltung).

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein bereits entstandener Urlaubsabgeltungsanspruch eines Arbeitnehmers ist vererbbar (EuGH - C- 118/13 - 12.06.2014; gegen BAG - 9 AZR 170/14 - 22.09.2015).

Dabei steht den Erben nicht nur die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, sondern auch des tarifvertraglichen Urlaubs einschließlich der Urlaubstage wegen Schwerbehinderung zu.

 

Normenkette

BGB § 1922 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 24.10.2014; Aktenzeichen 3 Ca 2373/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.01.2019; Aktenzeichen 9 AZR 45/16)

BAG (Beschluss vom 18.10.2016; Aktenzeichen 9 AZR 45/16 (A))

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 24.10.2014 - 3 Sa 2373/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Urlaubsabgeltungsanspruch.

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres am 20.12.2010 verstorbenen Ehemannes I.-H. C., der bei der Beklagten beschäftigt war. Ab dem 18.08.2010 war er als Schwerbehinderter anerkannt worden. Auf das Arbeitsverhältnis fand der TVöD Anwendung.

Am 05.01.2011 suchte die Klägerin die Vorgesetzte ihres Ehemannes auf. In dem Gespräch ging es u.a. um die Abgeltung von 28 Urlaubstagen aus dem Jahr 2010, die der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht mehr hatte nehmen können. Gleichzeitig übergab sie das Schreiben vom 05.01.2011, mit dem sie u.a. die Auszahlung des von ihrem verstorbenen Ehemann nicht genommenen Urlaubs beantragte. Die Vorgesetzte informierte die Klägerin darüber, dass bezüglich der Vererblichkeit von Urlaubsabgeltungsansprüchen ein Verfahren beim Bundesarbeitsgericht anhängig sei, das abgewartet werden solle. Mit Schreiben vom 25.01.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie sich nach Abschluss des genannten Verfahrens mit ihr in Verbindung setzen würde. Mit Schreiben vom 21.09.2011 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 05.01.2011 auf Auszahlung der Urlaubsabgeltung zurück. Nach der Entscheidung des EuGH vom 12.06.2014 (Rechtssache C-118/13) über die Vererbbarkeit von Urlaubsabgeltungsansprüchen für den Mindesturlaub von vier Wochen wandte sich die Klägerin am 03.07.2014 erneut an die Beklagte und verlangte nochmals unter Verweis auf die Entscheidung Urlaubsabgeltung. Die Beklagte lehnte den Anspruch mit Schreiben vom 22.08.2014 ab.

Mit ihrer am 28.08.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage beantragte die Klägerin zuletzt noch die Abgeltung des in der Höhe unstreitigen offenen Urlaubsanspruchs von 23 Tagen und zwei Urlaubstagen aus § 125 Abs.1 SGB IX.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.857,75 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.01.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Forderung abgelehnt und die Auffassung vertreten, dass der Klägerin allenfalls die Abgeltung von 20 Tagen Mindesturlaub nach der Rechtsprechung des EuGH zustehen könne.

Mit Urteil vom 24.10.2014 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt, dass § 7 Abs. 4 BUrlG im Lichte der neueren Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs auszulegen sei. Danach entstehe der Anspruch auf finanzielle Vergütung eines bei Tod eines Arbeitnehmers noch bestehenden Urlaubsanspruchs, um den in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie verankerten Mindesturlaubsanspruch zu gewähren. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub sei ein bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts in der Union. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie stelle für die Eröffnung des Anspruchs auf finanzielle Vergütung keine andere Voraussetzungen auf als diejenige, dass zum einen das Arbeitsverhältnis beendet sei und dass zum anderen der Arbeitnehmer nicht im gesamten Jahresurlaub genommen habe. Ein finanzieller Ausgleich erweise sich als unerlässlich, um die praktische Wirksamkeit des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sicherzustellen, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers geendet habe. Art. 7 der Richtlinie könne folglich nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der besagte Anspruch durch den Tod des Arbeitnehmers untergehe. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung entstehe ein entsprechender Urlaubsabgeltungsanspruch, der in die Erbmasse eingehe, vererbt werden könne und dementsprechend von den Erben geltend gemacht werden könne. Insofern könne die Klägerin die Abgeltung des noch offenen Urlaubsanspruchs verlangen. Der Anspruch sei auch nicht auf den Mindesturlaub beschränkt, da der Tarifvertrag hinsichtlich der Entstehung des Abgeltungsanspruchs nicht von den Voraussetzungen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs abweiche.

Gegen das der Beklagten am 01.12.2014 z...

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