Revision

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Sanierungstarifvertrag. Rückwirkung. Gleichstellungsabrede

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die normative Rückwirkung eines firmenbezogenen Sanierungstarifvertrages, mit dem (auch bezogen auf ein zum Zeitpunkt des Abschlusses eines solchen Tarifvertrages bereits beendetes Arbeitsverhältnis) für die Vergangenheit eine vorherige, in einem Verbandstarifvertrag vereinbarte Tairflohnerhöhung, beseitigt werden soll, setzt sowohl im Zeitpunkt seines – rückwirkenden – Inkrafttretens als auch im Zeitpunkt des Abschlusses beiderseitige Tarifbindung voraus (anders BAG 06.08.2002 – 1 AZR 247/01 – AP § 112 BetrVG 1972 Nr. 154 für rückwirkende Tariflohnerhöhung).

2. Allerdings kann sich im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) einer arbeitsvertraglich vereinbarten sog. Gleichstellungsabrede eine derartige Rückwirkung eines firmenbezogenen Sanierungstarifvertrages zu Lasten eines bereits im Zeitpunkt seines Abschlusses ausgeschiedenen Arbeitnehmers ergeben.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3 S. 1; BGB §§ 133, 157; TVG § 3 Lohnabkommen 2004, § 5 Lohnabkommen 2004, § 2 Nr. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 03.03.2005; Aktenzeichen 8 Ca 5683/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.10.2006; Aktenzeichen 4 AZR 486/05)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 03.03.2005 – 8 Ca 5683/04 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger noch Restlohnansprüche für die Zeit von März bis Juni 2004 und anteiliges Urlaubsgeld für die Zeit vom 01.01.-30.06.2004 zustehen.

Der am 07.01.1946 geborene Kläger war seit dem 01.04.1964 bei der Beklagten als Leiter des Kundendienstes der Vertriebsabteilung Fleischereimaschinen zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.555,73 EUR beschäftigt. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 13.03.1998 heißt es u. a.:

„…

2. Für das Arbeitsverhältnis gelten die Tarifverträge für die Metallindustrie NRW sowie die Arbeitsordnung, deren Inhalt als rechtsverbindlich anerkannt wird und alle Betriebsvereinbarungen. Die Regelungen in diesem Arbeitsvertrag können auch durch Betriebsvereinbarungen geändert werden.

3.

Das Gehalt beträgt:

Tarifgruppe K 5 n. 3. Bj.

DM 5.766,00

Tarifliche Leistungszulage 3,5 %

DM 201,81

Außertarifliche Zulage / 40 Std. Woche

DM 1.647,64

Gesamtgehalt

DM 7. 615,45

Bei zukünftigen tariflichen Gehaltserhöhungen wird die außertarifliche Zulage angerechnet.

Eine Anrechnung kann insbesondere auch eine neue Tarifgruppe, bei Erhöhung der Beschäftigungs- und Lebensjahre sowie auch hinsichtlich der Leistungszulage erfolgen. Die Anrechnung kann auch rückwirkend erfolgen, wenn das Tarifgehalt oder die sonstigen Bedingungen der einzelnen Tarifverträge rückwirkend geändert werden.

….

6. Der Urlaub des Mitarbeiters richtet sich nach dem Tarifvertrag sowie der betrieblichen Urlaubsregelung.”

Die Tarifvertragsparteien der Metallindustrie NRW vereinbarten gemäß § 2 Nr. 2 Satz 1 des Abkommens vom 16.02.2004 über die Tariflöhne in der Metall – und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (künftig: Lohnabkommen 2004) eine Tariflohnerhöhung ab dem 01.03.2004 um 2,2 %.

Mit Schreiben vom 23.06.2004 kündigte die Beklagte – nach Zustimmung der Tarifvertragsparteien gemäß § 20 Nr. 4 des Einheitlichen Manteltarifvertrages (EMTV) in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18.12.2003 (künftig: EMTV Metall NRW) – das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus betriebsbedingten Gründen fristgerecht zum 30.06.2005. Gleichzeitig teilte sie ihm mit, dass sie mit ihrem Betriebsrat am gleichen Tage einen Interessenausgleich und einen Transfersozialplan vereinbart habe. Die Beklagte bot dem Kläger an, binnen Wochenfrist in eine Beendigung seines Anstellungsverhältnisses mit ihr unter gleichzeitigem Abschluss eines bis zum 30.06.2005 befristeten Arbeitsvertrages mit der Transfergesellschaft G. Transfergesellschaft mbH einzuwilligen. Nach erfolgter Einwilligung schied der Kläger mit Ablauf des 30.06.2004 aus dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten aus und wechselte in die Transfergesellschaft. Er kann entsprechend dem Transfersozialplan 60 % der ausgelobten Abfindung zum 01.07.2005, 30 % zum 01.07.2006 und weitere 10 % zum 01.07.2007 beanspruchen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird ausdrücklich auf den Transfersozialplan vom 23.06.2004 Bezug genommen.

Am 03.11.2004 schlossen die Tarifvertragsparteien in der Metallindustrie NRW gestützt auf § 6 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung 2004 für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens einen Tarifvertrag (künftig: Sanierungstarifvertrag) betreffend die Beklagte. Dieser enthält u. a. folgende Regelung:

„I. Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer der Firma B.– werk AG, die dem persönlichen Geltungsbereich des § 1 MTV Metall NRW unterliegen, mit Ausnahme

– der 34 von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Mitarbeitern gemäß Interessenausgleich der Firma B.– werk AG vom 23.06.2004 mit...

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