Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtliche Einordnung der Sonderzahlung gem. § 10 des Manteltarifvertrages der obst- gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie NRW in der Insolvenz des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Sonderzahlung gemäß § 10 des Manteltarifvertrags der obst- gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie NRW ist kein Entgelt für die in einem Entgeltabrechnungszeitraum geleistete Arbeit und steht in keinem unmittelbaren Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung des einzelnen Arbeitnehmers.

2. Da die Sonderzahlung aus diesem Grund erst am Stichtag 01. Dezember entsteht, handelt es sich bei der Sonderzahlung eines Jahres insgesamt und nicht nur anteilig (hier: 2/12) um eine Neumasseverbindlichkeit, wenn die Masseunzulänglichkeit vor dem Stichtag (hier: 31.10.2014) angezeigt wird.

 

Normenkette

InsO §§ 55, 179-180, 209-210; MTV der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie NRW §§ 10, 15

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.08.2015; Aktenzeichen 3 Ca 2646/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.03.2017; Aktenzeichen 6 AZR 264/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.08.2015 - 3 Ca 2646/15 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten zu 1) auferlegt.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die insolvenzrechtliche Einordnung einer Sonderzahlung sowie darüber, ob diese aufgrund des Eingreifens einer Ausschlussfrist verfallen ist.

Der Kläger war zunächst auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.10.1980 für die Beklagte zu 1), welche Mitglied im Arbeitgeberverband der Ernährungsindustrie Nordrhein-Westfalen war, als gewerblicher Mitarbeiter in der Lebensmittelproduktion tätig. In diesem hieß es u.a.:

"Mit dem 1.10.1980 werden sie in die A. Nahrungsmittelfabrik als jugendl. Arbeiter zu dem in unserem Hause gültigen Lohntarifvertrag zur Probe eingestellt.

...

Es wird ein Probearbeitsverhältnis von 4 Wochen vereinbart.

Es endet, ohne dass es einer besonderen Kündigung bedarf, am 28.10.1980. ...

Zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bedarf es in jedem Falle eines neuen Arbeitsvertrages.

Inhalt oder Änderungen gesetzlicher Bestimmungen, gelten sinngemäß als Bestandteil dieses Arbeitsvertrages, soweit diese hierauf Anwendung finden können."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Arbeitsvertrag Bezug genommen. Der Kläger setzte seine Tätigkeit für die Beklagte zu 1) nach dem 28.10.1980 fort. Ein weiterer schriftlicher Arbeitsvertrag wurde zwischen den Parteien nicht abgeschlossen. Die Vergütung erfolgte für den Kläger wie für einen Tarifmitarbeiter im Bereich der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie Nordrhein-Westfalen. Er erhielt die tariflich vorgesehene Vergütung, sowie z.B. Sonntagszuschläge, Zuschläge für Feiertagsarbeit, Nachtzuschläge, die hier streitige Sonderzahlung entsprechend § 10 des Manteltarifvertrages der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie NRW (im Folgenden: MTV) - und zwar jeweils im November zum Monatsende - und tarifliches Urlaubsgeld. Ihm wurde auch der über den gesetzlichen Urlaub hinausgehende tarifliche Urlaub gemäß § 9 MTV gewährt. Das Monatseinkommen des Klägers betrug zuletzt 2.406,00 Euro brutto. In dem MTV hieß es u.a.:

"§ 10 Jahressonderleistung

1.Höhe und Anspruch

Arbeitnehmer, die am 1. Dezember eines Kalenderjahres eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von 11 Monaten haben und sich an diesem Tage im ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, erhalten eine Jahressonderzuwendung.

Die Jahressonderzuwendung beträgt 100 % des tariflichen Monatsgehalts...

2.Berechnungsgrundlagen

Der Berechnung des tariflichen Monatsentgelts ... sind die für den Berechtigten jeweils am 31.10. des Auszahlungsjahres für die obst- und gemüseverarbeitende Industrie geltenden tariflichen Entgeltsätze ... ohne Zulagen und Zuschläge zugrunde zu legen.

3.Teilzeitbeschäftigte

Teilzeitbeschäftigte erhalten die Jahressonderzuwendung in einer Höhe, die dem Verhältnis der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit entspricht.

4.Ruhen des Arbeitsverhältnisses

Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr ruht, erhalten keine Jahressonderzuwendung; ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr nur teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.

5.Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Scheidet ein Arbeitnehmer vor dem 1. April aus, so hat er ein Viertel (25 %) der im Vorjahr erhaltenen Jahressonderzuwendung zurückzuzahlen....

6.Saisonarbeitnehmer

Abweichend von § 10 Abs. 1 und 2 erhalten Arbeitnehmer, die gemäß § 2 Abs. 4 c für saisonmäßig bedingte Arbeiten zusätzlich eingestellt werden, erstmalig eine Jahressonderzuwendung, wenn sie in ununterbrochener Folge 3 Jahre lang je mindestens 3 Monate als Saisonarbeitnehmer im Betrieb beschäftigt waren.

Die Jahressonderzuwendung wird anteilig mit einem Zwölftel für jeden vollen Sa...

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