Zulassung: Revision

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anteilige Kürzung von tariflicher Jahresleistung und Urlaubsgeld für Zeiten der Streikteilnahme?

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 4 des Manteltarifvertrages für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen lässt nicht die Kürzung der Jahresleistung für Zeiten der Streikteilnahme zu.

2. Ebensowenig führen Streikzeiten zur Verringerung des Urlaubsgeldes nach § 10 MTV.

 

Normenkette

BGB §§ 400, 611; TVG § 1; ZPO §§ 850e, 4; MTV-Tageszeitungen § 10

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 08.09.2005; Aktenzeichen 8 Ca 1879/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.02.2007; Aktenzeichen 9 AZR 374/06)

 

Tenor

Das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.09.2005 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2. Euro 662,73 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2004 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits zwischen dem Kläger zu 2. und der Beklagten werden der Beklagten auferlegt. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat der Kläger zu 1. zu tragen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen; im übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte berechtigt ist, tarifliche Sonderleistungen (Jahresleistung, Urlaubsgeld) zeitanteilig für Tage zu kürzen, an denen bei ihr beschäftigte Redakteure an einem rechtmäßigen Arbeitskampf teilnahmen.

Die Beklagte ist Mitglied der Arbeitgebervereinigung „Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV)”. Der bei ihr beschäftigte Redakteur F. N. gehört dem Kläger zu 1) (DJV) an. Der Kläger zu 2), ebenfalls als Redakteur bei der Beklagten tätig, ist Mitglied von ver.di. BDZV, DJV und ver.di sind Tarifpartner u. a. eines Manteltarifvertrags und eines Gehaltstarifvertrag für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen.

Ende 2003/Anfang 2004 fand ein Arbeitskampf statt, von dem die Beklagte betroffen wurde. Der Kläger zu 2) blieb an 24 Streiktagen der Arbeit fern; der Redakteur F. N. versäumte die Arbeit an 21 Streiktagen und reduzierte außerdem seine Arbeitszeit. Die Beklagte kürzte später zeitanteilig gegenüber dem Kläger zu 2) die tarifliche Jahresleistung um Euro 414,05 brutto und das tarifliche Urlaubsgeld um Euro 348,68 brutto (Gesamtbetrag: Euro 762,73 brutto), gegenüber dem Redakteur F. N. die tarifliche Jahresleistung um Euro 305,71 brutto und das tarifliche Urlaubsgeld um Euro 257,42 brutto (Gesamtbetrag: Euro 563,33 brutto). Der Kläger zu 2) und der Redakteur F. N. erhielten in Höhe der vorgenannten Gesamtbeträge Streikgeld und traten ihre Bruttoentgeltforderungen an den Kläger zu 1) ab.

Nach einer Musterprozessvereinbarung mit der Unternehmensgruppe, der die Beklagte angehört, hat der Kläger zu 1) vor dem Arbeitsgericht Essen Zahlungsklage erhoben.

Er hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte weder nach § 4 MTV zur Kürzung der Jahresleistung noch nach § 10 MTV zur Kürzung des Urlaubsgeldes berechtigt sei. Außerdem verstoße die Kürzung gegen das am 25.02.2004 von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Maßregelungsverbot zu Nr. 5 c) [”Soweit Ansprüche oder Anwartschaften von der ununterbrochenen Beschäftigung oder Betriebszugehörigkeit abhängen oder davon abhängen, dass das Arbeitsverhältnis nicht geruht hat, gelten die Beschäftigungsdauer oder Betriebszugehörigkeit durch die Arbeitskampfmaßnahmen nicht als unterbrochen, das Arbeitsverhältnis nicht als ruhend.”]

Der Kläger zu 1) hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.325,86 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 762,73 EUR seit dem 01.03.2004, auf 257,42 EUR seit dem 01.08.2004 sowie auf 305,71 EUR seit dem 01.12.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, dass tarifliche Jahresleistung und tarifliches Urlaubsgeld reinen Entgeltcharakter hätten und daher um Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis geruht habe (Streik), gekürzt werden dürften. Mit der deklaratorischen Bestimmung in Nr. 5 c des Maßregelungsverbots seien lediglich nicht-tarifliche Ansprüche, namentlich Betriebsrenten, gemeint gewesen.

Durch Urteil vom 08.09.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgeben. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, mit Rechtsausführungen an.

Nach vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken, ob Bruttoentgeltansprüche abtretbar seien, ob der vom Kläger zu 1) gestellte Hilfsantrag auf Zahlung des sich aus Euro 1.325,86 brutto ergebenden Nettobetrags zulässig sei und er im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft mit dem weiteren Hilfsantrag Zahlung an die Redakteure N. und an den Kläger zu 2) verlangen könne, hat der Kläger zu 1) an Gerichtsstelle in der mündlichen Verhandlung am 08.03.2006 an den dies annehmenden Kläger zu 2) den Anspruch auf Jahresleistung in voller Höhe (Euro 414,05...

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