Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Darlegungslast des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Überträgt ein Arbeitgeber die bisher von einem Arbeitnehmer erbrachten Tätigkeiten im Rahmen einer Umorganisation von Arbeitsabläufen auf andere Arbeitnehmer mit der Folge des Wegfalls des Arbeitsplatzes des gekündigten Arbeitnehmers, hat der Arbeitgeber wegen der ihm nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG zur Begründung einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG obliegenden Darlegungslast die von diesen Arbeitnehmern bisher erbrachten Arbeiten im Einzelnen mit ihren jeweiligen zeitlichen Anteilen darzulegen.

2. Diese Anforderung an die Darlegungslast des Arbeitgebers ist bei einer derartigen Umverteilung der Arbeit notwendig, um im Zeitpunkt des Kündigungszugangs die Prognose aufstellen zu können, dass es den von der Zuteilung der bisher dem gekündigten Arbeitnehmer obliegenden Arbeiten betroffenen Arbeitnehmern möglich ist, auf Dauer ihre vertraglich geschuldete regelmäßige Arbeitszeit einzuhalten und nicht darüber hinaus durch Leistung von Überstunden überobligationsmäßig arbeiten zu müssen (vgl. grundlegend BAG 17.06.1999 – 2 AZR 141/99 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102).

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2 Sätze 1, 4

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Urteil vom 24.03.2010; Aktenzeichen 1 Ca 2392/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.05.2012; Aktenzeichen 2 AZR 124/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 24.03.2010 – 1 Ca 2392/09 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte wird außerdem verurteilt, an den Kläger 16.854,– EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 8.427,– EUR brutto seit dem 01.11.2010 sowie auf 8.427,– EUR brutto seit dem 01.12.2010 zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten vor allem um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Die Beklagte gehört zu einem amerikanischen Konzern und hat drei Produktionsstätten in Deutschland, nämlich in L., G.-I. und P.. Insgesamt sind bei ihr in Deutschland 650 Arbeitnehmer, davon 85 am Standort P., beschäftigt.

Der am 17.08.1954 geborene, seiner geschiedenen Ehefrau und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger, ist seit dem 01.04.1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Sein monatliches durchschnittliches Bruttogehalt betrug zuletzt 9.862,56 EUR.

Am 01.12.2006 übernahm der Kläger die Zuständigkeit für die Kunststoffgranulat-Produktion am Standort P. (im Folgenden: „Betriebsleiter GUR”) und gleichzeitig die Standortleitung des Betriebs P.. Die Beklagte stellte den Kläger, der mit ihr noch am 18.06./07.07.2004 einen schriftlichen Anstellungsvertrag geschlossen hat, im August 2009 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Dies ging nach Darstellung der Beklagten auf eine unternehmerische Entscheidung zurück, Produktionsstandorte zusammenzulegen und darüber hinaus Funktionen in Zuständigkeiten zu bündeln.

Mit Schreiben vom 15.09.2009 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat vorsorglich für den Fall, dass der Kläger nicht leitender Angestellter i. S. von § 5 Abs. 3 BetrVG sein sollte, zu der von ihr beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung zum 30.04.2010 an. Der Betriebsrat widersprach dem mit Schreiben vom 21.09.2009. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger schriftlich unter dem 24.09.2009 zum 30.04.2010 und vorsorglich zum nächst zulässigen Termin. Zum 01.10.2009 übernahm Frau L. die Werksleitung in P..

Mit seiner am 08.10.2009 beim Arbeitsgericht Oberhausen eingereichten und der Beklagten am 13.10.2009 zugestellten Klage macht der Kläger in erster Linie die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung geltend.

Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen:

Die Beklagte versuche schon seit 2008, sich seiner Person zu entledigen. Seine Stelle sei durch Frau L. neu besetzt worden. Diese fülle nicht eine neue Funktion aus, sondern löse ihn lediglich ab. Die Beklagte habe die Anforderungen an die ihr gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG obliegende Darlegungs- und Beweislast für eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung nicht erfüllt. Insbesondere habe sie nicht vorgetragen, welche seiner Aufgaben sie in welchem Umfang auf andere Stellen übertragen habe und warum die Inhaber dieser Stellen hierdurch nicht einer überobligatorischen Mehrbelastung ausgesetzt seien. Er wende drei Viertel seiner Arbeitszeit für die Aufgaben als Standortleiter und ein Viertel seiner Arbeitszeit für die Aufgaben als Betriebsleiter auf. Die Beklagte verfüge über einen freien Arbeitsplatz als Forschungsleiter, den er wahrnehmen könne.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.09.2009, ihm zugegangen am 26.09.2009, nicht aufgelöst worden ist;
  2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die B...

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