Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Verfügung im Beschlussverfahren. Abbruch einer Betriebsratswahl im Wege einer einstweiligen Verfügung durch einen Unterlassungsanspruch. Rechtzeitige Einladung zur Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands. Keine Nichtigkeit der Wahlhandlung bei kurzer Einladungsfrist zur Wahlversammlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren ist gem. § 85 Abs. 2 ArbGG zulässig. Voraussetzung für den Verfügungserlass ist gem. §§ 935, 940 ZPO i.V.m. § 85 Abs. 2 ArbGG sowohl das Bestehen eines Verfügungsanspruchs als auch das Vorliegen eines Verfügungsgrunds zur einstweiligen Sicherung eines tatsächlichen oder rechtlichen Rechts- oder Leistungsverhältnisses.

2. Der Abbruch einer Betriebsratswahl im Wege der einstweiligen Verfügung durch einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers kommt nur dann in Betracht, wenn die Betriebsratswahl voraussichtlich nichtig ist. Die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht.

3. Für die Einladung zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands für die Betriebsratswahl ist gesetzlich keine Frist vorgeschrieben. Sie soll so rechtzeitig erfolgen, dass die Einladung entweder alle Arbeitnehmer des Betriebs tatsächlich erreicht oder so bekannt gemacht wird, dass dieser Personenkreis die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu nehmen und an der Wahlversammlung teilzunehmen.

4. Eine Einladungsfrist von neun Kalendertagen ist grundsätzlich rechtzeitig und damit nicht zu beanstanden, auch in einem Betrieb mit verschiedenen Schichtsystemen. Selbst wenn die Frist nach Beurteilung der konkreten Umstände als kurz erachtet werden müsste, beinhaltet sie keinen groben Verstoß gegen die Wahlvorschriften und ist keinesfalls nichtig. Eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung weiterer Handlungen zur Betriebsratswahl kann nicht mit diesem Sachverhalt erreicht werden.

 

Normenkette

ZPO §§ 935, 940; ArbGG § 85 Abs. 2; BetrVG § 2 Abs. 1, § 17 Abs. 1-2; WO § 28 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 14.02.2020; Aktenzeichen 11 BVGa 4/20)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.02.2020,11 BVGa 4/20, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Mit ihrem Antrag begehrt die Antragstellerin im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, dem Antragsgegner zu untersagen, in ihrem Betrieb in E. eine Betriebsratswahl durchzuführen.

Die Antragstellerin ist eine 100%ige Tochter der g. SE. Diese ist ein im Jahr 2016 in N. gegründetes Startup Unternehmen, das einen Getränkelieferdienst in derzeit 18 Städten in Deutschland, unter anderem auch in E., betreibt. Das Geschäftsmodell der Antragstellerin besteht darin, ihren Kunden ohne zusätzliche Liefergebühr alkoholische und nicht-alkoholische Getränke innerhalb von 120 Minuten zu liefern. Die Antragstellerin beschäftigt etwas mehr als 500 Arbeitnehmer. Es gibt einen Lagerleiter, drei Schichtleiter und sieben Teamleiter. Die im Übrigen als Fahrer, Lageristen und Staplerfahrer beschäftigen Mitarbeiter der Antragstellerin arbeiten in Schichten von jeweils fünf oder achteinhalb Stunden an sechs Tagen in der Woche. Die Geschäftszeiten der Antragstellerin laufen von 9.00 bis 23.00 Uhr. Es gibt dabei Mitarbeiter, die in festen regelmäßigen Schichten arbeiten, sowie Mitarbeiter, die flexible Schichten übernehmen. Die flexiblen Schichten, die über die gesamte betriebliche Geschäftszeit verteilt sind, bietet die Antragstellerin den Mitarbeitern per Email an. Der Mitarbeiter kann dann selbst entscheiden, ob er diese Schicht übernehmen will oder nicht. Die Schichtzuteilung erfolgt nach dem "Windhund-Prinzip". Wegen dieses Schichtsystems sind nicht alle Mitarbeiter wöchentlich im Betrieb anwesend. Bis zum 28.01.2020 war Herr Q. C. Geschäftsführer der Antragstellerin, danach Herr F. C.

Antragsgegner ist der in einer Betriebsversammlung vom 27.01.2020 gewählte Wahlvorstand.

Mit Schreiben vom 27.12.2019 informierten drei Arbeitnehmer der Antragstellerin sowie die Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (im Folgenden: Einlader) die Geschäftsleitung der Antragstellerin über ihre Absicht, die Beschäftigten des Betriebes am 11.01.2020 um 11.30 Uhr zu einer Versammlung in das DBG-Gewerkschaftshaus in E. einzuladen, um die Wahl eines Betriebsrats in die Wege zu leiten. In der Anlage zu diesem Schreiben übersandten die Einlader der Antragstellerin das Einladungsschreiben zur Wahl eines Wahlvorstandes verbunden mit der Bitte, dieses auf Kosten der Antragstellerin allen im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern zuzuleiten und im Betrieb auszuhängen.

Mit Email vom 30.12.2019 teilte die Gewerkschaft NGG dem seinerzeitigen Geschäftsführer Q. C. unter Bezugnahme auf ein mit ihm, einer Vertretung der Gewerkschaft und den drei Arbeitnehmern geführten Gespräch mit, dass keine Einwände bestünden, den Termin der Versammlung vom 11.01.2020 zu verschieben und den Ort zu ändern. Die Versammlung solle nun am 13.01.2020 durchgeführt werden. Gleichzeitig wu...

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