Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche wegen „Mobbing”. Schadensersatz. Schmerzensgeld. Darlegungs- und Nachweislast

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Begriff des „Mobbing” und den Voraussetzungen eines darauf gegründeten Schmerzensgeldanspruchs.

2. In einem Prozess auf Schmerzensgeld wegen „Mobbings” gegen ihren direkten Vorgesetzten und ihren Arbeitgeber trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtsgutverletzung und den eingetretenen Schaden. Die Klägerin muss die klagbegründenden Tatsachen bzgl. aller anspruchsbegründenden Tatsachen entsprechend der Substantiierungstheorie so vortragen, dass es den Beklagten möglich ist zu erkennen, auf welche konkreten – nach Zeit und Ort identifizierbaren – Tatsachen sich die Anspruchstellerin bezieht.

3. Die Beweisführung kann den Regeln des prima-facies Beweises dann folgen, wenn es sich um einen typischen Geschehensablauf handelt. Ein solcher liegt nicht vor, wenn für einen Zeitraum von 3 ½ Jahren neun Vorfälle behauptet werden, weil damit nicht schlüssig der Tatbestand der dauernden Rechtsgutverletzung, „der fortgesetzten aufeinander aufbauenden und ineinander übergreifenden, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienenden Verhaltensweisen von Kollegen oder Vorgesetzten” dargelegt ist.

 

Normenkette

BGB §§ 847, 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bremerhaven (Urteil vom 28.02.2002; Aktenzeichen 1 Ca 1419/01)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremerhaven vom 28.02.2002 – Az.: 1 Ca 1419/01 – wird, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1) richtet, als unbegründet, und soweit sie sich gegen den Beklagten zu 2) richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schmerzensgeld.

Die Klägerin arbeitete bei der Beklagten zu 1) seit dem 01.04.1963 zuletzt als Kontoristin und Sachbearbeiterin.

Die Beklagte zu 1) sprach der Klägerin gegenüber am 28.07.2000 eine Änderungskündigung aus. Der Klägerin wurde jedoch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen wie folgt angeboten:

  • 81,5 Stunden wie bisher in der Schauwerbeabteilung
  • 81,5 in der Abteilungsgruppe 013

Mit Schreiben vom 19.02.2001 erhielt die Klägerin eine weitere Änderungskündigung mit der der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen wie folgt angeboten wurde:

  • 81,5 Stunden wie bisher in der Schauwerbeabteilung
  • 81,5 Stunden Verkäuferin in der Abteilungsgruppe 060 Schreibwaren, 061 Bücher, 062 Fotobildcenter, 160 Festartikel

Beide Änderungskündigungen enthielten den Hinweis, dass die tarifliche Eingruppierung G 2 und das Gehalt erhalten bleibe.

Hintergrund der Änderungskündigungen war, dass die Beklagte zu 1) ihren Betrieb umstrukturierte und die Schauwerbeabteilung auf den Betrieb Hannover konzentrierte. Hierdurch entfiel die Hälfte der Tätigkeit der Klägerin im Betrieb der Beklagten in Bremerhaven. Die Beklagte zu 1) bot der Klägerin daraufhin auch einen Wechsel nach Hannover an. Dies lehnte die Klägerin ab.

Die Rechtsstreitigkeiten über die Änderungskündigungen wurden durch gerichtlichen Vergleich vom 29.03.2001 beendet. Die Parteien einigten sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2001 endete und die Klägerin eine Abfindung in Höhe von DM 99.000,00 erhielt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten gleichen Rubrums des Arbeitsgerichts Bremerhaven – Az.: 1 Ca 1102/01 + 1 Ca 1253/00 – verwiesen.

Mit der am 13.11.2001 eingereichten Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten gesamtschuldnerisch Schmerzensgeld wegen Mobbinghandlungen.

Bei der Klägerin hatten sich ab 1998 – ihrer Auffassung nach – depressive Reaktionen entwickelt, so dass sie sich auch zu einer stationären Behandlung im S. -Krankenhaus in der Psychiatrie einfinden musste. Der stationäre Aufenthalt erfolgte vom 26.06. bis 29.06.2000. Am 28.06.2001 erlitt die Klägerin einen Gehörsturz und wurde am 01.07.2001 ins ZKH R. aufgenommen. Im Einzelnen war die Klägerin in folgenden Zeiten arbeitsunfähig erkrankt:

  • 28.03. bis 04.06.2000
  • 26.06. bis 29.06.2000 (Krankheit Debstedt)
  • 30.06. bis 16.07.2000
  • 01.08. bis 09.09.2001 durchgehend

Ab dem 09.09.2001 ist die Klägerin aus der Krankenkasse ausgesteuert.

Durch Bescheid des V. Bremen vom 23.11.2001 wurde der Klägerin ein Grad der Behinderung von 60 % zuerkannt.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu 2) habe im Herbst 1997 versucht, ihr eine unberechtigte Abmahnung auszusprechen. In einem Gespräch mit ihr habe jedoch der damalige Personalleiter Herr P. dieses Abmahnungsschreiben mit der Bemerkung zerrissen, „eine Abmahnung könne nicht deshalb ausgesprochen werden, wenn jemandem die Nase eines anderen nicht passe”.

Ihre Kollegin M. habe im Sommer 1998 mehrfach behauptet, dass die Klägerin geistig nicht zurechnungsfähig sei.

Im Herbst 1998 nach Rückkehr aus ihrem Urlaub habe in unmittelbarer Nähe zu ihrem Arbeitsplatz ein ca. 60 × 80 cm großes Schild mit der gedruckten Auf...

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