Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichstellungsabrede. Tarifkonkurrenz bei Betriebsteilübergang. Geschäftsgrundlage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine sog. Gleichstellungsabrede ist nicht dahin auszulegen, dass sie im Falle eines Tarifwechsels gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB jedenfalls dann ihre Richtung auf die für den Übernehmer einschlägigen Tarifverträge ändern soll, wenn auch die nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 Abs. 4 TVG an diese Tarifverträge gebunden werden.

2. Das Zusammentreffen einer infolge Betriebsteilübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB statisch fortgeltenden Gleichstellungsabrede mit einem das Arbeitsverhältnis nunmehr auch aufgrund Allgemeinverbindlichkeit erfassenden Tarifvertrag ist nicht nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz, sondern gemäß § 4 Abs. 3 TVG zu behandeln.

3. Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB werden für eine Gleichstellungsabrede nicht dadurch erfüllt, dass ein Betriebsteil beim Erwerber unter den Geltungsbereich eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags fällt.

 

Normenkette

BGB §§ 157, 313 Abs. 1, § 613a Abs. 1; TVG § 4 Abs. 3, § 5 Abs. 4; BetrVG § 112 Abs. 1 S. 4

 

Verfahrensgang

AG Berlin (Urteil vom 26.10.2005; Aktenzeichen 29 Ca 13629/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 26.10.2005 – 29 Ca 13629/05 – geändert.

2. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin ab 01. Juli 2005 ein monatliches Entgelt nach Lohngruppe 2a BezTV Nr. 2 zum BMT-G II, Stand 30. Juni 2005, in Höhe von 2.144,79 EUR (zweitausendeinhundertvierundvierzig 79/100) brutto und eine monatliche vermögenswirksame Leistung in Höhe von 6,65 EUR brutto sowie ein jährliches Urlaubsgeld in Höhe von 332,34 EUR (dreihundertzweiunddreißig 34/100) brutto und eine Jahressondervergütung in Höhe von 1.787,29 EUR (eintausendsiebenhundertsiebenundachtzig 29/100) brutto zu zahlen.

3. Die Jahressollarbeitszeit der Klägerin inklusive Wochenfeiertagen beträgt weiterhin 2002 Stunden.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin trat am 21. Mai 1991 als Stationshilfe in die Dienste des J. Krankenhauses Berlin, einer Stiftung bürgerlichen Rechts. Während diese Stiftung Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbands Berlin war, gehörte die Klägerin keiner Gewerkschaft an. In § 4 Nr. 2 ihres Arbeitsvertrags (Abl. Bl. 8 R d.A.) war die Anwendung des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT- G II) sowie der für „Westberlin” geltenden Bezirkstarifverträge, einschließlich der Lohntarifverträge, vorgesehen.

Die vollzeitbeschäftigte Klägerin bezog zuletzt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden einen Monatslohn i.H.v. 2.144,79 EUR brutto nebst einer vermögenswirksamen Leistung i.H.v. 6,65 EUR brutto. Daneben erhielt sie Urlaubsgeld i.H.v. 332,34 EUR brutto und eine Jahressondervergütung i.H.v. 1787,29 EUR brutto.

Aus Anlass der zum 01. Juli 2005 vereinbarten Übernahme der bis dahin dem Leiter Hauswirtschaft unterstellten Bereiche des J. Krankenhauses durch die Beklagte, die Mitglied der Gebäudereinigerinnung ist, schlossen das J. Krankenhaus und der dort gebildete Betriebsrat unter Beteiligung der Beklagten am 10. Mai 2005 einen Freiwilligen Interessenausgleich und Sozialplan (Abl. Bl. 20 – 37 d.A.; IntA). In der dazugehörigen Liste mit den Namen der von diesem Betriebsteilübergang betroffenen Arbeitnehmer war auch die Klägerin aufgeführt. Zum Ausgleich von Einkommenseinbußen infolge Anwendung der für die Beklagte aufgrund Allgemeinverbindlichkeit geltenden Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks, die auch eine um eine halbe Stunde längere wöchentliche Arbeitszeit vorsehen, war in § 5 Abs. 3 IntA vorgesehen, dass die Arbeitnehmer, die mit der Beklagten einen Überleitungsvertrag entsprechend Anlage 4 zum IntA schlossen, für die Zeit bis 31. Dezember 2007 einen anteiligen, degressiven Ausgleich erhielten. Diesen Vertrag schloss die Klägerin nicht, widersprach aber auch nicht dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte.

Die Klägerin begehrt Feststellung ihrer Vergütungsansprüche mit Stand des Übergangs ihres Arbeitsverhältnisses bei unveränderter Jahressollarbeitszeit.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme geltende BMT-G II sei durch die spezielle Regelung des Tarifwerks für das Gebäudereinigerhandwerk nach den Regeln der Tarifkonkurrenz verdrängt worden. Dem stehe das Günstigkeitsprinzip nicht entgegen, weil die im Arbeitsvertrag getroffene Gleichstellungsabrede keine die Klägerin als nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmerin begünstigende Regelung enthalte, sondern ausschließlich bewirken solle, sie mit den tarifgebundenen Gewerkschaftsmitgliedern gleichzustellen, bei denen aber die bisher anzuwendenden Tarifverträge ...

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