Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifkonkurrenz. Nachwirkung. ablösende Vereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Tarifkonkurrenz, Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag und arbeitsvertragliche Inbezugnahme eines betrieblich nicht mehr einschlägigen Tarifvertrags (Angestellte in Betrieben des Kfz-Gewerbes;

2. keine ablösende Vereinbarung im Sinne des § 4 Abs. 3 TVG durch frühere vertragliche Regelung

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 5, § 5 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 29.08.2000; Aktenzeichen 9 Ca 38194/99)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.08.2000 – 9 Ca 38194/99 – dahin abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Die Klägerin wird ferner verurteilt, an die Beklagte DM 2.188,98 (zwei-tausendeinhundertachtundachtzig 98/100) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 09. Juni 1998 seit dem 05. Januar 2001 zu zahlen.

II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung einer Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) für die Jahre 1997 und 1998 (anteilig) zusteht bzw. verfallen ist.

Die Klägerin war bei der nicht tarifgebundenen Beklagten, einem Unternehmen des Kfz-Gewerbes in Berlin, auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 24. März 1986 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. In dem als „Anstellungsvertrag für Angestellte in den Betrieben des Kraftfahrzeuggewerbes” bezeichneten Vertrag (Bl. 7 – 8 d.A.) vereinbarten die Parteien in Ziffer 1:

Der Manteltarifvertrag sowie der Gehaltstarifvertrag für den Berliner Einzelhandel sind in ihrer jeweils letzten Fassung Bestandteil dieses Vertrages.

Der „Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel” vom 2. April 1985 erfasste alle Betriebe im Einzelhandel sowie deren Betriebsabteilungen, Hilfs- und Nebenbetriebe unter anderem der Einzelhandelsgruppen „Kraftfahrzeuge und Anhänger, Kraftfahrzeugteile und Zubehör, Kraftfahrzeugbereifung” sowie alle beschäftigten kaufmännischen und technischen Angestellten, die gewerblichen Arbeitnehmer sowie die Auszubildenden (§ 1 Buchstabe B, C). Der „Manteltarifvertrag für das metallverarbeitende Handwerk in Berlin” vom 20. Oktober 1972 galt in allen Betrieben und Nebenbetrieben des Kraftfahrzeughandwerks für alle arbeiterrentenversicherungspflichtigen gewerblichen Arbeitnehmer (§ 1 Ziff. 2 c, 3).

Der „Manteltarifvertrag für die Arbeiter und Angestellten im Kfz-Gewerbe Berlin” vom 18. 3. 1988 (im folgenden: MTV Kfz-Gewerbe) erfasste gem. § 1 Ziff. 1 alle Betriebe und Nebenbetriebe u.a. des Kraftfahrzeugmechanikerhandwerks und des Handels mit Kraftfahrzeugen und Anhängern, Ersatzteilen, Zubehör und Reifen, mit Ausnahme des reinen Teile- und Zubehör-Groß- und Einzelhandels sowie gem. § 1 Ziff. 3 alle Arbeitnehmer mit Ausnahme der leitenden Angestellten und der Auszubildenden. Der MTV Kfz-Gewerbe wurde durch die Bekanntmachung vom 25. Oktober 1988 (BAnz. Nr. 218/88 vom 23. 11. 1988, S. 4944) ab 1. September 1988 für allgemeinverbindlich erklärt. Ab 1. Oktober 1989 galt der MTV Kfz-Gewerbe vom 29. Juni 1988 mit gleichem Geltungsbereich, der vom 1. Oktober 1989 (Bekanntmachung vom 31. 5. 90, BAnz. Nr. 23/90 vom 6. 7. 90, S. 3474) bis zum 31. Dezember 1996 (BAnz. Nr. 136/97 vom 25. 7. 97, S. 9250) für allgemeinverbindlich erklärt war.

Der „Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel” (im folgenden MTV Einzelhandel) vom 21. April 1989 (allgemeinverbindlich vom 1. 2. 1990 bis 31. 12. 1992 gem. Bekanntmachungen vom 8. 2. 90, BAnz. Nr. 61/90 vom 28. 3. 90, S. 1568 und BAnz. Nr. 83/93 vom 17. 4. 93, S. 4267) nahm von seinem Geltungsbereich (§ 1 Buchstabe B) unter anderem den Kraftfahrzeughandel einschließlich Anhänger, Kraftfahrzeugteile, Kraftfahrzeugzubehör und Kraftfahrzeugbereifung aus.

§ 19 MTV Kfz-Gewerbe lautete in der jeweiligen Fassung – wortgleich – wie folgt:

„Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis

  1. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind beiderseits innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach ihrer Fälligkeit, jedoch spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend zu machen.
  2. Sind die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht, ist ihre Erfüllung jedoch abgelehnt worden oder ist eine Erklärung hierzu innerhalb von 2 Wochen nicht erfolgt, so ist innerhalb weiterer 6 Wochen Klage beim Arbeitsgericht zu erheben oder die tarifliche Gütestelle anzurufen.
  3. Die in vorstehenden Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Fristen sind Ausschlussfristen derart, dass mit dem fruchtlosen Ablauf der Frist das geltend zu machende Recht erlischt.
  4. Die Ausschlussfristen der Absätze 1 und 2 geltend nicht für die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund bewusster Unterschreitungen tariflicher Bestimmungen. Solche Ansprüche sind spätestens innerhalb von 6 Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend zu ...

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