Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz. Diskriminierung. Benachteiligung wegen des Geschlechts. Vorliegen einer Schwangerschaft. Beförderungsentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung muss die Arbeitnehmerin gegebenenfalls Hilfstatsachen darlegen und unter Beweis stellen, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen.

2) Alleine das Vorliegen einer Schwangerschaft bei der gegenüber einem männlichen Mitbewerber nicht berücksichtigten Bewerberin um eine Beförderungsstelle reicht hierzu nicht aus.

3) Unstreitige oder erwiesene Äußerungen des Arbeitgebers oder seines Repräsentanten mit geschlechtsspezifischem Gehalt im Zusammenhang mit dem Besetzungsverfahren können solche Hilfstatsachen darstellen; dies war im Streitfalle allerdings nicht gegeben, weil sich die Äußerungen über die „familiäre Situation” der Bewerberin nicht auf die Beförderungsentscheidung selbst bezogen haben.

 

Normenkette

BGB § 611a

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 28.04.2006; Aktenzeichen 28 Ca 5196/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.04.2008; Aktenzeichen 8 AZR 257/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. April 2006 – 28 Ca 5196/06 – geändert:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung bei einer Beförderungsentscheidung.

Die Klägerin war seit dem 1. April 2002 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Musikbranche, bzw. deren Rechtsvorgängerin zuletzt als „Marketing Director International Division” gegen eine Bruttomonatsvergütung von rund 8.700,00 EUR tätig.

Sie arbeitete in dem Bereich „International Marketing”, dem der Vizepräsident Herr E. vorstand. Sie war als „Directorin Pop” eine von drei Abteilungsleiterinnen bzw. Abteilungsleiter, die beiden übrigen Abteilungsleiter waren Männer.

Im September 2005 wurde Herr E. zum Senior-Vize-Präsident Music-Division befördert und seine Stelle war vakant. Die Auswahlentscheidung für die Besetzung der Stelle in der Nachfolge des Herr E. fiel auf einen der beiden männlichen Abteilungsleiter; die Klägerin war zum Zeitpunkt dieser Entscheidung schwanger. Am 13. Oktober 2005 wurde der Klägerin durch Herrn E. mitgeteilt, dass nicht sie, sondern einer der männlichen Mitbewerber zu seinem Nachfolger bestimmt worden sei.

Mit der vorliegenden, bei Gericht am 13. März 2006 eingegangenen Klage macht die Klägerin geltend, sie sei im Hinblick auf ihr Geschlecht bei der Beförderungsentscheidung benachteiligt worden und begehrt Schadensersatz.

Sie hat die Auffassung vertreten, die ihr negative Auswahlentscheidung beruhe auf ihrer Schwangerschaft und ihrer Mutterschaft. Denn sie sei als Abwesenheitsvertreterin von Herrn E. stets davon ausgegangen, dass sie dessen Nachfolge antreten werde. Entsprechendes habe Herr E. ihr auch mitgeteilt. Bei der Bekanntgabe der Nichtberücksichtigung habe Herr E. auch auf ihre familiäre Situation hingewiesen und erklärt, sie habe sich ja „für die Familie” entschieden.

Dem gegenüber hat die Beklagte die Entscheidung für den männlichen Mitbewerber mit dessen erstklassigen Kundenkontakten und mit Proporzgesichtspunkten zwischen den beiden beteiligten Unternehmensbereichen, S. und B., begründet.

Von einer näheren Darstellung des Parteivorbringens erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28. April 2006 dem klägerischen Begehren entsprochen und die Beklagte zur Zahlung von 17.062,00 EUR als Entschädigung gemäß § 611 a Abs. 2 BGB wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung bei der Beförderung verurteilt. Das Arbeitsgericht hat in seiner Begründung die Grundsätze der Entschädigung wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung bei der Beförderung referiert und dargestellt, dass die Klägerin Tatsachen glaubhaft machen musste, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten ließen. Dann trüge die Arbeitgeberseite die Beweislast dafür, dass sachliche Gründe, die nicht auf das Geschlecht bezogen seien, die Entscheidung rechtfertigten. Die Klägerin habe solche Tatsachen bzw. Indizien glaubhaft gemacht. Sie habe als eine der drei Direktorinnen zu den Anwärtern auf die Stelle gehört. Wenn ein männlicher Kollege vorgezogen worden ist, liege nahe, dass das Geschlecht eine Rolle gespielt habe. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Entscheidung auch schwanger gewesen, was bei der Arbeitgeberseite reflexhafte Vorbehalte auslöse. Dies alles reiche aus, um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts als wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Die Beklagte habe in dieser Situation den ihr obliegenden Gegenbeweis nicht erbracht. Unter Referierung der Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbe...

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