Entscheidungsstichwort (Thema)

Mankohaftung. Kassierer in Spielcasino Beweislast

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Kassierer in einem Spielcasino, der regelmäßig große Mengen an Hartgeld und kleinen Scheinen zu wechseln hat, haftet für Kassenfehlbeträge, die in seinem alleinigen Verantwortungsbereich auftreten, nicht, wenn ihm nur leichteste Fahrlässigkeit zur Last fällt (gelegentliches Verzählen oder Vertippen). Ihn trifft auch nicht die Beweislast dafür, daß ihn kein Verschulden trifft.

2. Eine Mankoabrede, die einen solchen Kassierer auch für leichteste Fahrlässigkeit haften läßt oder ihm die Beweislast für fehlendes Verschulden aufbürdet, ist nur wirksam, wenn dem Kassierer ein angemessener wirtschaftlicher Ausgleich für das übertragene Risiko geleistet wird (Mankogeld o.ä.).

 

Normenkette

BGB §§ 254, 282

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 14.03.1996; Aktenzeichen 65 Ca 37008/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.09.1998; Aktenzeichen 8 AZR 175/97)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. März 1996 – 65 Ca 37008/95 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über zwei Gehaltsabzüge zum Ausgleich von Kassendifferenzen, die in einer vom Kläger allein verwalteten Geldwechselkasse in der Zeit 6. Oktober 1994 bis 1. September 1995 aufgetreten sind. Sie streiten ferner über eine Abmahnung wegen der Fehlbeträge.

Der Kläger ist seit dem 25. November 1991 in dem von der Beklagten betriebenen Spielcasino als angelernter „Mitarbeiter Automatensaalservice” tätig. Sein durchschnittliches Bruttogehalt betrug zuletzt monatlich 3.500,– DM. Ein Mankogeld wird ihm nicht gezahlt.

In einer Kassenorganisationsanweisung vom 1. März 1991, die durch Bezugnahme Bestandteil des schriftlichen Arbeitsvertrages geworden ist, heißt es:

1. Kassen Großes Spiel

1.1. Jeder Kassierer ist für seinen Kassenbestand (Bargeld, Scheck und Jetonbestand) selbst verantwortlich. Überschüsse und Mankos sind im Kassenabschluß auszuweisen; eine gegenseitige Verrechnung ist nicht zulässig. Überschüsse sind an die Gesellschaft abzuführen. Für entstandene Mankos haftet der Kassierer in voller Höhe. Ferner haftet der Kassierer für Verluste, die durch Annahme von Falschgeld oder gefälschten bzw. mit gefälschter Unterschrift versehenen Euro- und Reiseschecks entstehen, wenn die Fälschung als solche erkennbar war. Gleiches gilt bei Nichtbeachtung dieser Anweisung und der dazugehörigen Anlagen. Arbeiten mehrere Kassierer gleichzeitig mit einer Kasse, tragen sie gemeinsam die Verantwortung für die Vollständigkeit der im Kassenbestand ausgewiesenen Bestände.

Eine Mankohaftung des Kassierers ist gegeben, wenn vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln, Dulden oder Unterlassen vorliegt. Verschuldensmaßstab ist § 276 BGB.

1.2. Getrennt abschließbare Jetonschränke und Fächer im Bargeldtresor stellen sicher, daß jeder Kassierer seine Kasse getrennt führen kann. Sie sind stets verschlossen zu halten und die Schlüssel in der Kassenbox zu verwahren. Die Türen zu den besetzten Kassenboxen sind stets geschlossen zu halten. Bei Abwesenheit des Kassierers ist die Kassenbox zu verschließen. Die Zugänge zum Kassenbereich sind stets verschlossen zu halten.

1.6. Durch seine Unterschrift unter den Kassenabschluß bestätigt der Kassierer die Vollständigkeit der Bargeld-, Scheck- und Jetonbestände sowie eventuelle Differenzen. Die rechnerische Richtigkeit ist vom Saalchef zu bestätigen.

1.7. Bei Schichtwechsel sind die Bestände sorgfältig zu prüfen und eventuelle Differenzen festzustellen. Fehlende oder mangelhafte Nachprüfung der Bestände geht zu Lasten des übernehmenden Kassierers. Für ein Manko, das nicht einem bestimmten Kassierer zugerechnet werden kann, trägt die Verantwortung derjenige, in dessen Kassenabschluß das Manko ausgewiesen ist.

2. Kassen Kleines Spiel

2.1. Die für die Spielkassen geltenden Bestimmungen sind sinngemäß auch für den Betrieb der Automatenkassen verbindlich.

Im Automatenspielsaal, auf dessen Skizze Bezug genommen wird (Anlage zur Berufungserwiderung. Bl. 242 d.A.), gibt es zwei aneinander angrenzende verglaste Kassenräume, in denen jeweils in zwei Schichten (Früh- und Spätschicht) gearbeitet wird. In jeder Schicht arbeitet ein Kassierer pro Kasse. Beide Kassierer haben im wesentlichen die Aufgabe, die Besucher mit Wechselgeld (Münzen) zu versorgen und Münzen zurückzuwechseln (wozu jeweils eine Geldausgabe- und eine Rückwechsel-Maschine zur Verfügung steht), ferner Gewinne über 400,– DM (darunter schütten die Automaten selbst aus) gegen Quittung und in Anwesenheit eines Mitarbeiters der Finanzaufsicht, der durch Gong gerufen wird, auszuschütten.

Die Spielautomaten enthalten sogenannte cash-boxen, die jeden Morgen vom Saaldienst geleert werden. Dieser bringt den Inhalt der Boxen in einen Zählraum, wo er von einem Finanzbeamten und einem Mitarbeiter der Beklagten mittels Zählmaschinen zählt und in Säcke mit jeweils 2.000,– DM gefüllt wird. Die Säcke werden zugenäht und vom ...

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