Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Ausspruch einer Kündigung und Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs. Gemeinsamer Betrieb. Zeitpunkt der Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs zweier Unternehmen kann auch nach dem Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses liegen, ohne die Unwirksamkeit der Kündigung wegen einer fehlerhaften sozialen Auswahl bezogen auf vergleichbare Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs zur Folge zu haben. Die Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs muss zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung aber bereits "greifbare Formen" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur beabsichtigten Stilllegung des Betriebs angenommen haben.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 4 S. 1; KSchG § 1 Abs. 2-3, § 23 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 02.05.2002; Aktenzeichen 71 Ca 31286/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.11.2003; Aktenzeichen 2 AZR 48/03)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. Mai 2002 – 71 Ca 31286/01 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der am … 1951 geborene, verheiratete und für ein Kind unterhaltspflichtige Kläger ist seit dem 23. Mai 1973 bei der Beklagten als Maler beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs sind sich die Parteien darüber einig, dass der Kläger ab 1. Juni 1999 einen Stundenlohn von 25,75 DM brutto oder entsprechenden Gegenwert in Euro erhält.

Die Beklagte ist ein mittlerweile in Liquidation befindliches Berliner Unternehmen des Maler- und Lackierergewerbes, bei dem seit Dezember 2000 nur noch 5 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt waren.

Gesellschafter der Beklagten sind der Kaufmann Dr. F.-P. M. mit einer Stammeinlage von 37.500,– DM und der Kaufmann Th. M. mit einer Einlage von 12.500,– DM. Herr M. ist gleichzeitig Leiter der Abteilung Maler in der Firma Berliner A. GmbH, deren Alleingesellschafter der Kaufmann Dr. F.-P. M. ist. Der Sitz beider Firmen befand sich in der K. Straße 96 in 13158 Berlin. Die Firma Berliner A. GmbH beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Sie beschäftigt ferner einen Handwerksmeister, der aufgrund einer Ausnahmegenehmigung der Handwerkskammer B. befugt ist, bei der Beklagten beschäftigte Auszubildende zu unterweisen. Die Beklagte selbst verfügte über keinen Meister.

Mit Datum vom 19. April 1996 schlossen die Beklage und die Berliner A. GmbH eine „Vereinbarung zur entgeltlichen Übernahme von Büro- und Dienstleistungsaufgaben der bzw. für die Firma Kö. GmbH ab 1. April 1996” (vgl. dazu die Vereinbarung vom 19.4.1996 in Kopie Bl. 99 ff. d.A. sowie den Nachtrag vom 18.6.2001 Bl. 102 d.A.).

Mit Gesellschafterbeschluss vom 4. Oktober 2001 beschloss die Beklagte, den Betrieb zum 31. März 2002 stillzulegen.

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2001 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem bei der Beklagten bestehenden Betriebsobmann mit, die Gesellschafter hätten beschlossen, die Betriebstätigkeit zum 31. März 2002 einzustellen. Deshalb würden nunmehr gegenüber allen Arbeitnehmern und Auszubildenden betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Gleichzeitig teilte der Geschäftsführer dem Betriebsobmann mit, dass auch die Kündigung des Klägers beabsichtigt sei, wobei die Kündigungsfrist fünf Monate zum Monatsende betrage. Er bat den Betriebobmann, der Kündigung zuzustimmen. Gleichzeitig erhielt der Betriebsobmann eine Liste der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer mit deren Sozialdaten (vgl. dazu das Anhörungsschreiben vom 23.10.2001 nebst Sozialdatenliste Bl. 34 – 36 d.A.).

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2001 äußerte sich der Betriebsobmann zu der Stilllegungsabsicht der Beklagten. Eine weitere Stellungsnahme erfolgte nicht.

Auf einer Betriebsversammlung wurde den Mitarbeitern mitgeteilt, dass der Betrieb der Beklagten zum 31. März 2002 stillgelegt werden sollte.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2001, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2002.

Mit Schreiben vom 8. November 2001 kündigte die Beklagte die Vereinbarung mit der Firma Berliner A. GmbH vom 19. April 1996 zum 31. März 2002, wobei sie zur Begründung den Entschluss anführte, den Betrieb mit Wirkung zum 31. März 2001 stillzulegen (vgl. dazu das Kündigungsschreiben in Kopie Bl. 107 d.A.).

In der Folgezeit kündigte die Beklagte nicht nur den Mietvertrag mit der Firma Berliner A. GmbH, sondern auch andere relevante Verträge unter Hinweis auf die beabsichtigte Betriebsstilllegung, schickte Ausschreibungsunterlagen unbearbeitet unter Hinweis auf die beabsichtigte Schließung zurück und verwies auf die baldige Liquidation. Diese ist – wovon sich die 19. Kammer des LAG Berlin überzeugt hat –, wie vom Liquidator in der mündlichen ...

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