Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen krankheitsbedingter häufiger Fehlzeiten und Interessenabwägung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Zum zeitlichen Zusammenhang zwischen Betriebsratsanhörung und Kündigungsausspruch.

2) Kündigt der Arbeitgeber wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten des Arbeitnehmers, sind im Rahmen der beiderseitigen Interessenabwägung die Anzahl der unterhaltspflichtigen Kinder i.d.R. nicht zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 22.09.1998; Aktenzeichen 9 Ca 4730/98)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.01.2000; Aktenzeichen 2 AZR 378/99)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. September 1998 – 9 Ca 4730/98 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der 1957 geborene, verheiratete Kläger, der Vater von fünf Kindern im Alter von 1, 6, 8, 14 und 17 Jahren ist, trat am 04. August 1986 als Maschinenarbeiter/Montierer in die Dienste der Beklagten, die in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Mit Bescheid des Versorgungsamtes B. vom 19. September 1997 ist er als Schwerbehinderter anerkannt. Der Grad seiner Behinderung beträgt 60. Der Kläger erzielte zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von durchschnittlich 4.000,– DM.

Seit 1990 fehlte der Kläger krankheitsbedingt an folgenden Tagen:

Jahr

Arbeitstage

Diagnose

1990

15.1 bis 24.01.

8

?

26.3 bis 26.04.

22

?

27.11 bis 01.12.

4

34,

davon 16 Tage mit Entgeltfortzahlung

1991

19.3. bis 19.04.

24

?

1992

06.1. bis 10.01.

5

Kreislaufstörungen

05.2. bis 21.02.

13

Gastroenteritis

30.3. bis 30.04.

24

Rhinitis, Bronchitis

04.5. bis 08.05.

5

Allergische Rhinitis

47

1993

02.04. bis 06.04.

2

Bronchitis

24.05. bis 28.05.

4

Heuschnupfen

01.06. bis 08.06.

5

Cholezystitis, Gastroenteritis

20.07. bis 04.08.

11

Schulter-Arm-Syndrom, Sinusitis

06.12.

1

Kreislaufschaden bei Hypotonie

23

1994

15.02. bis 18.02.

4

Rhinitis, grippöser Infekt

26.09. bis 28.10.

25

Lunge, z.W. Lumbalgie

29

sons. Lungenkrankheiten

1995

03.03. bis 03.04.

22

Akute Gastritis

19.05. bis 30.06.

31

Unklare Bauchbeschwerden Gastroenteritis, ulcus duodeni, chronische Gastritis

12.9. bis 30.09.

14

Gastroenteritis

67,

davon 66 Tage mit Entgeltfortzahlung

1996

09.04. bis 14.07.

68

Lumbago, Ischialgie

02.09. bis 16.10.

32

Akute Gastritis

04.11. bis 14.11.

9

Lumbago

109,

davon 68 Tage mit Entgeltfortzahlung

1997

07.04. bis 28.04.

16

Infektion der oberen Luftwege

14.05. bis 16.05.

3

Kopfschmerz

08.07. bis 19.08.

31

Lumbalsyndrom, Zervikalsyndrom

21.08. bis 02.10.

31

Lumbago, WS-Syndrom

05.10. bis 05.11.

23

Akute Gastritis

104,

davon 102 Tage mit Entgeltfortzahlung

Seit dem 09. Februar 1998 fehlte der Kläger erneut krankheitsbedingt und seit dem 23. Februar 1998 fortlaufend mindestens bis zum 30. Juni 1998. An Lohnfortzahlungskosten leistete die Beklagte an den Kläger im Jahre 1990 insgesamt 2.548,47 DM, im Jahre 1991 insgesamt 3.247,59 DM, im Jahre 1992 insgesamt 6.288,96 DM, im Jahre 1993 insgesamt 3.790,30 DM, im Jahre 1994 insgesamt 5.224,42 DM, im Jahre 1995 insgesamt 5.887,49 DM, im Jahre 1996 insgesamt 13.198,75 DM und im Jahre 1997 insgesamt 18.397,68 DM. Überdies mußte sie in den genannten Jahren Arbeitgeberanteile an die Sozialversicherung im Umfange von 480,39 DM, 636,53 DM, 1.128,87 DM, 737,23 DM, 1.060,56 DM, 1.195,16 DM, 2.765,13 DM und 3.876,40 DM zahlen.

Am 07. Oktober 1997 wurde dem Betriebsrat ein Mitteilungsbogen gemäß § 102 BetrVG vom 06. Oktober 1997 nebst entsprechender Anlagen übergeben (Bl. 24 ff. d. A.). Am 09. Oktober 1997 teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, daß er einer ordentlichen Kündigung des Klägers zustimme.

Mit Bescheid vom 21. Januar 1998 (Bl. 87 d. A.) hatte das Landesamt für G. und S. – Hauptfürsorgestelle – dem Antrag der Beklagten vom 10. Oktober 1997 zur ordentlichen fristgerechten Kündigung des Klägers entsprochen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuß der Hauptfürsorgestelle mit Bescheid vom 11. September 1998 (Bl. 81 d. A.) zurück. Dagegen ist vom Kläger vor dem Verwaltungsgericht Berlin Anfechtungsklage erhoben worden, ohne daß bisher ein Verhandlungstermin anberaumt worden ist.

Mit Schreiben vom 03. Februar 1998, dem Kläger am selben Tage übergeben, kündigte die Beklagte den Arbeitsvertrag des Klägers fristgerecht zum 30. Juni 1998.

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 11. Februar 1998 eingegangenen und der Beklagten am 20. Februar 1998 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, daß diese sozial ungerechtfertigt sei. In den Jahren 1993 und 1994 habe er unterdurchschnittlich krankheitsbedingte Fehlzeiten aufzuweisen gehabt. Es könne auch keine Rede davon sein, daß wegen seiner krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit für die Beklagte besondere wirtschaftliche Belastungen entstanden seien. Im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung müsse zu seine...

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