Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausnahme von Aushilfen aus dem persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach der in der Rechtsprechung und im Schrifttum überwiegend vorgenommenen Begriffsbestimmung besteht die Besonderheit eines Aushilfsarbeitsverhältnisses darin, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ausdrücklich von vornherein nicht auf Dauer eingehen will, sondern zur Abdeckung eines vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs, der nicht durch den normalen Betriebsablauf, sondern durch den Ausfall von Stammkräften oder einen zeitlich begrenzten zusätzlichen Arbeitsanfall begründet ist.

2. Die im (Haus-) Rahmentarifvertrag Klassisches Spiel vorgenommene Herausnahme der Aushilfen aus den persönlichen Geltungsbereich ist vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit der Tarifvertragsparteien nicht mehr gedeckt und verstößt gegen den Gleichheitssatz.

 

Normenkette

TVG § 1; GG Art. 9, 3; BGB Art. 612

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 10.12.2003; Aktenzeichen 79 Ca 22958/03)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Dezember 2003 – 79 Ca 22958/03 – wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten der Berufung tragen bis zur Rücknahme der Anschlussberufung bei einem Streitwert von 6.036,48 EUR (sechstausendsechsunddreißig 48/100) der Kläger 95/100, die Beklagte 5/100, während im Übrigen die Kosten bei einem Streitwert von 335,36 EUR (dreihundertfünfunddreißig 36/100) der Beklagten auferlegt werden.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Höhe des vom Kläger verdienten Arbeitsentgelts und in diesem Zusammenhang über die Anwendung tariflicher Bestimmungen auf sein Arbeitsverhältnis trotz Herausnahme von Aushilfen aus dem persönlichen Geltungsbereich der Haus-Tarifverträge.

Der Kläger ist Werkstudent und nach näherer Maßgabe des befristeten Aushilfsarbeitsvertrages vom 23. Oktober 2002 seit 1. Oktober 2002 ununterbrochen bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 41 Stunden im Monat als Saalassistentin im klassischen Spiel in der von der Beklagten betriebenen Sp. beschäftigt, in der regelmäßig mehr als 60 überwiegend studentische Aushilfskräfte eingesetzt werden. Der Kläger erhält gemäß § 3 des Arbeitsvertrages einen Stundenlohn von 9,36 EUR brutto gemäß der abschließenden Regelung in der Anlage zum Tronc- und Gehaltstarifvertrag, mit dem sämtliche aus den jeweiligen Tarifverträgen sich ergebenden Entgeltansprüche insbesondere Zuschläge, Zulagen und Sondervergütungen abgegolten sind. Seine Einsätze in der Gruppe E erfolgen nach mündlicher Absprache mit der technischen Leitung, während im Tätigkeitsbereich A (Croupiers) Listen mit den zu vergebenden Arbeitseinsätzen ausliegen, in welche die Aushilfskräfte die von ihnen gewünschten Arbeitstage und -zeiten eintragen können. Im Betriebe der Beklagten finden Haustarifverträge Anwendung, nämlich der Rahmentarifvertrag Klassisches Spiel sowie der Tronc- und Gehaltstarifvertrag Klassisches Spiel jeweils vom 7. Februar 2000, die im Zeitpunkt des Abschlusses des klägerischen Arbeitsvertrages nachwirkten. Die Beklagte wendet diese Tarifverträge auch auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer an. § 1 des Rahmentarifvertrages regelt unter Ziffer 1 Folgendes:

„Dieser Rahmentarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer, die unmittelbar im Betrieb der Sp. Berlin (Klassisches Spiel) beschäftigt werden, mit Ausnahme der Aushilfen. Deren Vergütung ist in einem gesonderten Tarifvertrag geregelt.”

§ 1 Abs. 1 des Tronc- und Gehaltstarifvertrages Klassisches Spiel lautet:

„Dieser Tronc- und Gehaltstarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer, die unmittelbar im Betrieb der Sp. Berlin (Klassisches Spiel” beschäftigt werden, mit Ausnahme der Aushilfen. Deren Vergütung ist in einem gesonderten Tarifvertrag geregelt.”

In der Anlage zum Tronc- und Gehaltstarifvertrag, den § 7 ergänzt, wird in der Vergütungstabelle E – Saalassistenten – der Punktanteil eines Saalassistenten D (im ersten Betriebsjahr) mit 23 angegeben. Für Aushilfskräfte ist die Vergütung in der Anlage 7 I geregelt. Gemäß Ziffer 2 erhalten Saalassistenten im ersten Betriebsjahr eine Stundenvergütung in Höhe von 18,31 DM (entspricht 9,36 EUR). Weiter heißt es dort:

„I. Die vorerwähnten Stundenvergütungen gelten unabhängig davon, ob die Arbeit tags, nachts, sonntags oder feiertags verrichtet wird. Sie sind daher Bruttoendvergütungen.

II. Für die Aushilfen gelten die Tarifverträge nicht, wenn Aushilfskräfte unbefristet eingestellt werden sollten, so gelten die gleichen Kündigungsfristen, wie sie der Tarifvertrag für das Probearbeitsverhältnis vorsieht.”

Noch für die Monate Januar, in denen der Kläger 63 Stunden gearbeitet hat und März 2003, in welchem Monat er 34 Arbeitsstunden erbracht hat, verlangt der Kläger mit der vorliegenden Klage unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie auf unmittelbare Tarifgeltung nach seinem Gewerkschaftsbeitritt am 1. März 2003 eine Bezahlung als Teilzeitkraft nach den vorgenannten Tarifverträgen, weil insbes...

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