Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines U-Bahn-Zugfahrers

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Trunkenheitsfahrt mit dem eigenen Pkw außerhalb des Dienstes mit 2,73 ‰ BAK und der Antritt des Dienstes 16,5 Stunden danach mit 0,1 ‰ BAK rechtfertigen weder die fristlose noch die fristgemäße Kündigung eines Zugfahrers der U-Bahn.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1; BOStrab § 13 Abs. 3, § 10 Abs. 1 Nr. 3, § 1 Abs. 6 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 18.12.1995; Aktenzeichen 59 Ca 13661/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 04.06.1997; Aktenzeichen 2 AZR 526/96)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 18. Dezember 1995 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 59 Ca 13661/95 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 08.12.1968 geborene Kläger wurde vom Rechtsvorgänger der Beklagten am 18.07.1988 als Betriebsaufsicht eingestellt und vom 09.12.1988 an als Triebfahrzeugfahrer bei der U-Bahn eingesetzt. Die Beklagte beschäftigte ihn vom 01.01.1991 an weiter als Zugfahrer bei der U-Bahn.

Am 16.02.1995 erhielt die Beklagte die Ausfertigung eines Strafbefehls, aus dem sich ergab, daß der Kläger am 11.12.1994 gegen 16.10 Uhr in Berlin ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte, obwohl er infolge Alkoholgenusses dazu nicht in der Lage war, daß seine Blutalkoholkonzentration (BAK) zur Zeit der Blutentnahme am 11.12.1994 um 17.43 Uhr 2,73 ‰ betragen hatte, daß er wegen alkoholbedingter Unachtsamkeit gegen einen vor einer Kreuzung wartenden Pkw gestoßen war und daß deshalb eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 70,00 DM gegen ihn verhängt, sein Führerschein eingezogen und eine neue Fahrerlaubnis nicht vor Ablauf von zehn Monaten erteilt werden sollten. Der Strafbefehl ist seit dem 06.04.1995 rechtskräftig.

Nach der Ersetzung der personalvertretungsrechtlich erforderlichen Zustimmung des Personalrats durch Beschluß der Einigungsstelle vom 24.04.1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.04.1995 fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30.09.1995.

Mit seiner Klage im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose noch durch die fristgemäße Kündigung vom 25.04.1995 aufgelöst worden sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Durch am 18.12.1995 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe jenes Urteils verwiesen.

Das Urteil ist der Beklagten am 15.01.1996 zugestellt worden. Die Berufung der Beklagten ist am 14.02.1996 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und mit einem am 13.03.1996 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage wie folgt begründet worden:

Eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Fahrdienst, insbesondere als U-Bahn-Fahrer, sei nicht in Betracht gekommen und komme nicht in Betracht. Durch die alkoholbedingte Verursachung eines Verkehrsunfalls habe sich der Kläger auf Dauer als zur Personenbeförderung ungeeignet erwiesen. Der Kläger sei, auch wenn er im Rahmen einer Privatfahrt alkoholisiert aufgefallen sei, als unzuverlässig und ungeeignet anzusehen und dürfe deswegen gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 BOStrab nicht im allgemeinen Fahrdienst eingesetzt werden.

Es kämen weitere Umstände hinzu, die deutlich machten, daß der Kläger nicht mehr über die gebotene Zuverlässigkeit und Geeignetheit verfüge, weiterhin im Fahrdienst eingesetzt zu werden. Der Kläger sei nämlich am 12.12.1994 gegen 10.00 Uhr auf dem U-Bahnhof Vinetastraße erschienen, weil er für die Zeit von 10.00 Uhr bis 17.50 Uhr zum Dienst als Reserve eingeteilt gewesen sei. Bei einem üblicherweise zu unterstellenden Abbau der Blutalkoholkonzentration von 0,1 ‰ je Stunde habe der Kläger – nach einem Abbau um insgesamt 1,65 ‰ in den 16,5 Stunden seit der Feststellung der BAK von 2,73 ‰ am 11.12.1994 um 17.43 Uhr – am 12.12.1994 um 10.00 Uhr noch eine BAK von 1,08 ‰ gehabt. Wenn der Kläger in diesem Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit zum Dienst angetreten sei, um gegebenenfalls auf einer Dienstfahrt Personen zu befördern, habe er sich als charakterlich unzuverlässig und als nicht geeignet gezeigt und gegen das absolute Alkoholverbot des § 13 Abs. 3 BOStrab verstoßen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 18.12.1995 abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bestreitet die Restalkohol-Rückrechnung der Beklagten und behauptet in diesem Zusammenhang: Es sei medizinisch nicht auszuschließen, daß der Abbauwert 0,165 ‰ je Stunde betrage. Bei Zugrundelegung dieses Wertes wäre der Restalkohol zum Dienstantritt am folgenden Tage vollständig abgebaut gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der zweiten Instanz wird a...

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