Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersatzzustellung eines Urteils. Kündigung. Zustellung an sonstigen Bediensteten. Tätigkeit für MfS. Angaben in Personalfragebogen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Zulässigkeit der Ersatzzustellung an einen sonstigen Bediensteten des Arbeitgebers, der bei den Arbeitsgerichten durch eigene Mitarbeiter, denen er (General-)Prozeßvollmacht erteilt hat, vertreten wird.

2. Zu den Anforderungen an eine fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung, die mit einer Tätigkeit für das MfS und mit falschen Angaben in einem Personalfragebogen begründet wird.

 

Normenkette

ZPO §§ 176, 183-184; Einigungsvertrag Kap. XIX Sachgebiet A III Nr. 1 Abs. 5 Nr. 2 der Anlage I; KSchG § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 21.11.1994; Aktenzeichen 95 Ca 24844/94)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. November 1994 – 95 Ca 24844/94 – teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung des Beklagten vom 29. Juli 1994 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. Dezember 1994 fortbestanden hat. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen arbeitgeberseitigen Kündigung sowie – erstmals in der Berufungsinstanz – über die Verpflichtung das Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Die 1942 geborene und verheiratete Klägerin ist seit dem 1. September 1984 bei dem Beklagten als Unterstufenlehrerin mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 3.845,– DM beschäftigt und seit 1961 als Lehrerin tätig.

In dem ihr vom Beklagten vorgelegten „Zusatz zum Personalfragebogen” vom 9. Dezember 1990 gab die Klägerin unter anderem an, nicht für das frühere Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen zu sein und keine Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit unterschrieben zu haben. Wegen des weiteren Inhalts des Zusatzes zum Personalfragebogen wird auf die Fotokopie (Bl. 39 d.A.) Bezug genommen.

Nach der Mitteilung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR vom 7. Juli 1994, die dem Beklagten am 11. Juli 1994 zuging, wurde die Klägerin seit dem 1. Juli 1974 als „IMK/DA” (Kontaktperson/Deckadresse) mit dem Decknamen … geführt. In den Unterlagen befanden sich zwei Verpflichtungserklärungen zur Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) vom 7. Mai 1974 und 1. Juli 1974, die die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann abgegeben und unterschrieben hatte. Wegen des Inhalts der Erklärungen im einzelnen wird auf die Fotokopien (Bl. 40, 40 R d.A.) verwiesen. Ausweislich der Mitteilung des Bundesbeauftragten waren neben einer handschriftlichen Notiz eines der beiden Führungsoffiziere insgesamt elf Treffberichte der Führungsoffiziere, davon vier Treffberichte aus der Zeit vom 29. Mai 1974 bis 9. April 1975 und sieben Treffberichte aus der Zeit vom 21. Juli 1980 bis 8. September 1981 dokumentiert; eine Vergütung sowie konkret übertragene Aufgaben sind nach der Mitteilung des Bundesbeauftragten nicht ersichtlich. Wegen eines Auslandseinsatzes der Klägerin und ihres Ehemannes in Äthiopien im September 1981 erging am 11. September 1981 ein Archivierungsbeschluß bezüglich des Vorgangs „Deckadresse”. Eine erneute Übernahme nach Beendigung des Auslandsaufenthalts erfolgte ausweislich der Mitteilung des Bundesbeauftragten nicht. Wegen des weiteren Inhalts der Mitteilung des Bundesbeauftragten nebst Anlagen wird auf die Fotokopien (Bl. 40 bis 63 d.A.) Bezug genommen.

Mit dem Schreiben vom 11. Juli 1994 (Bl. 64 d.A.) suspendierte der Beklagte die Klägerin vom Dienst und führte am 13. Juli 1994 ein Personalgespräch mit der Klägerin.

Im Februar 1994 hatte die Klägerin aus Anlaß einer gleichgelagerten Überprüfung ihres ebenfalls im öffentlichen Dienst tätigen Ehemanns Kenntnis von dem Bericht des Bundesbeauftragten über ihren Ehemann erhalten.

Mit dem der Klägerin am 11. August 1994 zugegangenen Schreiber vom 29. Juli 1994 (Bl. 6, 7 d.A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß.

An der fachlichen Kompetenz der Klägerin als Unterstufenlehrerin bestehen keine Zweifel. Gegen die ausgesprochene Kündigung hat es Proteste zahlreicher Eltern gegeben.

Mit der am 23. August 1994 bei dem Arbeitsgericht eingegangene Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt und vorgebracht, die Kündigung sei rechtsunwirksam und sozial ungerechtfertigt, da sie, die Klägerin, weder für das Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen sei noch wissentlich falsche Angaben im Personalfragebogen gemacht habe. Die Kontakte mit dem MfS seien im Zusammenhang mit ihrem geplanten Auslandsaufenthalt zu sehen.

Der Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin sei ausweislich der Treffberichte des MfS für dieses tätig gewesen und habe den Personalfragebogen falsch ausgefüllt. Die Klägerin habe damit eine grobe Unehrlichkeit begangen, die eine Kündigung rechtfer...

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