Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohlwollensgebot

 

Leitsatz (amtlich)

Haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Anschluss an eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers in einem Prozessvergleich darauf geeinigt, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund einer Kündigung des Arbeitgebers geendet, verpflichtet sich dieser aber zugleich zur Zahlung einer Abfindung entsprechend § 9, 10 KSchG, widerspricht es dem zeugnisrechtlichen Wohlwollensgebot, im Arbeitszeugnis neben einem Hinweis auf das beiderseitige Einvernehmen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzugeben, dies sei auf Veranlassung des Arbeitgebers geschehen.

 

Normenkette

GewO § 109

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 07.07.2006; Aktenzeichen 28 Ca 7749/06)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 07. Juli 2006 – 28 Ca 7749/06 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger stand seit Juni 1993 in einem Angestelltenverhältnis zur Beklagten. Dieses endete im Anschluss an eine von dieser erklärte Kündigung aufgrund Prozessvergleichs vor dem Arbeitsgericht Berlin vom 30. Januar 2006 – 4 Ca 19408/05 – gegen Zahlung einer Abfindung von 25.000,00 EUR zum 31. Dezember 2005. In Erfüllung der unter Nr. 4 des Prozessvergleichs übernommenen Verpflichtung erteilte die Beklagte dem Kläger ein Arbeitszeugnis, in dem es hieß:

„Das Arbeitsverhältnis endet auf Veranlassung der Bank in beiderseitigem Einvernehmen mit dem 31. Dezember 2005. Wir danken uns bei Herrn B. A. für die geleistete Mitarbeit und wünschen ihm für den weiteren Lebensweg beruflich und privat alles Gute”.

Das Arbeitsgerichts Berlin hat die Beklagte verurteilt, diese Passage wie folgt zu ändern:

„Das Arbeitsverhältnis endet in beiderseitigem Einvernehmen mit dem 31. Dezember 2005. Wir bedanken uns bei Herrn B. A. für die geleistete Mitarbeit und wünschen ihm für den weiteren Lebensweg beruflich und privat alles Gute”.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitszeugnis des Klägers sei aufgrund der Wendung „auf Veranlassung der Bank” für dessen berufliches Fortkommen entgegen der Regelung in Nr. 4 des Prozessvergleichs hinderlich, weil diese beim Leser, eine nahezu unwiderstehlichen Anreiz schaffe, sich über die Hintergründe der „Veranlassung” Aufschluss zu verschaffen. Durch Weglassen der streitigen Textpassage werde die Wahrheitspflicht der Beklagten nicht verletzt.

Gegen dieses ihr am 14. Juli 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. August 2006 eingelegte und am 14. September 2006 begründete Berufung der Beklagten. Sie meint, das Weglassen der streitigen Passage erwecke den irrigen Eindruck, Beendigungstatbestand sei ausschließlich und originär eine Übereinkunft gewesen, und verschleiere mithin den Umstand einer arbeitgeberseitigen Kündigung, den der Prozessvergleich vom 30. Januar 2006 ausdrücklich festgehalten habe. Zudem lasse Nr. 5 dieses Vergleichs erkennen, dass die Kündigung verhaltensbedingt erfolgt und sogar von strafrechtlichen Schritten begleitet gewesen sei. Dabei enthalte der Vergleich weder eine Aufgabe der erhobenen Vorwürfe noch eine Ersetzung verhaltendsbedingter durch betriebliche Gründe und auch keine Verpflichtung zur Rücknahme des Strafantrags. Aufgrund dieses Kontextes stehe der streitigen Passage auch nicht ihre Verpflichtung aus Nr. 4 des Prozessvergleichs entgegen, dem Kläger ein „nicht hinderliches” Zeugnis zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, die Beklagte habe mit der streitigen Passage versucht, die im Vorprozess nicht durchgesetzten Kündigungsgründe doch noch zu artikulieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat gemäß Nr. 4 des Prozessvergleichs vom 30. Januar 2006 Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis unter Ergänzung des Verbs „danken” um die offenbar versehentlich vergessene Vorsilbe „be” und Weglassen der Wendung „auf Veranlassung der Bank”. Diese Wendung widersprach zwar nicht der in § 109 GewO nicht ausdrücklich geregelten Wahrheitspflicht des Arbeitgebers als eines ungeschriebenen Grundsatzes des Zeugnisrechts. Sie war jedoch nicht mit dem in Nr. 4 des Prozessvergleichs betonten Wohlwollensgebots vereinbar, sondern dem beruflichen Fortkommen des Klägers hinderlich, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Schon aus allgemeinen Erwägungen darf ein Zeugnis nicht ohne sachlichen Anlass erkennen lassen, dass sich die Vertragsparteien im Streit getrennt haben (BAG, Urteil vom 12.08.1976 – 3 AZR 720/75 – AP BGB § 630 Nr. 11 zu I 1 d der Gründe). Deshalb wird es für grundsätzlich unzulässig erachtet, darin darauf hinzuweisen, wer gekündigt hat und welches die Beendigungsgründe waren (LAG ...

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