Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsfrist bei Massenentlassungsanzeige

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Erstattung einer Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG braucht mit dem Ausspruch der Kündigungen nicht bis zum Ablauf der einmonatigen Regelsperrfrist des § 18 Abs. 1 Ts. 1 KSchG abgewartet zu werden.

2. Die Kündigungsfrist wird in diesem Fall allerdings erst mit Ablauf der Sperrfrist in Lauf gesetzt.

 

Normenkette

KSchG § 18 Abs. 1 Ts. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 25.10.2006; Aktenzeichen 14 Ca 3077/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.10.2006 – 14 Ca 3077/06 – im Kostenausspruch und dahin geändert, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 30. Januar 2006 nicht zum 31. Mai, sondern erst zum 30. Juni 2006 aufgelöst worden ist.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtstreits erster Instanz haben der Kläger zu 10/21 und die Beklagte zu 11/21 zu tragen, während die Kosten der Berufungsinstanz vom Kläger zu 10/11 und von der Beklagten zu 1/11 zu tragen sind.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der am … 1959 geborene Kläger stand seit dem 20. September 1995 als Maurer in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, die einen Baubetrieb führt. Er erzielte zuletzt ein Entgelt von etwa 2 100,00 EUR brutto monatlich.

Mit zwei Schreiben vom 25. bzw. 30. Januar 2006 kündigte die Beklagte dem Kläger zum 31. Mai 2006 (Abl. Bl. 11 und 12 d. A.) und mit einer weiteren, fälschlich ebenfalls auf den 30. Januar datierten Kündigung vom 30. März 2006 nochmals vorsorglich zum 31. Juli 2006. Auf eine Massenentlassungsanzeige vom 27. Januar 2006 (Abl. Bl. 56-61 d. A.) erteilte die Bundesagentur für Arbeit der Beklagten unter dem 14. Februar 2006 den Bescheid, dass die Entlassungssperre nach § 18 Abs. 1 KSchG vom 28. Januar bis 27. Februar 2006 laufe (Abl. Bl. 62 d. A.).

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.

Nach übereinstimmender Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich der ersten Kündigung hat das Arbeitsgericht Berlin die verbliebene Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 30. Januar 2006 sei durch dringende betriebliche Gründe bedingt, weil die Beklagte die für die Gerichte für Arbeitssachen bindende Unternehmerentscheidung getroffen habe, u. a. Maurerarbeiten künftig nicht mehr mit eigenem Personal, sondern von Subunternehmern ausführen zu lassen. Da die Beklagte allen Maurern gekündigt habe, sei eine Sozialauswahl entbehrlich gewesen. Die Beklagte habe die Kündigung vom 30. Januar 2006 auch erst nach Erstattung ihrer Massenentlassungsanzeige erklärt und habe angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darauf vertrauen dürfen, dass dies den gesetzlichen Erfordernissen genüge. Dass in der Arbeitnehmerliste zur Massenentlassungsanzeige möglicherweise das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgeführt worden sei, habe diese nicht unzureichend gemacht, weil keinerlei Anhaltspunkte vorlägen, dass die Bundesagentur für Arbeit eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn noch ein weiteres Arbeitsverhältnis aufgeführt worden wäre.

Gegen dieses ihm am 17. November 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. Dezember 2006 eingelegte und am 17. Januar 2007 begründete Berufung des Klägers. Er meint, die Beklagte habe sich im Kündigungsschreiben auf außerbetriebliche Gründe berufen, die sie jedoch nicht ausreichend dargelegt habe. Außerdem liege darin, dass die Beklagte ihren Personalbedarf über Subunternehmer befriedigen wolle, eine unzulässige Austauschkündigung. Schließlich verstoße die Kündigung vom 30. Januar 2006 gegen die Grundsätze des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Kündigungen erst nach Abschluss des Verfahrens vor der Arbeitsverwaltung erfolgen dürften.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils festzustellen,

dass sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten nicht durch deren am selben Tag zugegangene Kündigung vom 30. Januar 2006 aufgelöst worden sei,

hilfsweise,

dass es auch nicht durch die am 1. April 2006 zugegangene Kündigung vom 30. März 2006 aufgelöst worden sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt den Angriffen der Berufung im Einzelnen entgegen und meint, dass die Kündigungsfrist des allgemeinverbindlichen BRTV Bau nicht erst mit Ablauf der Sperrzeit in Lauf gesetzt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet.

1.1 Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. Januar 2006 aufgelöst worden, allerdings nicht bereits zum 31. Mai, sondern erst zum 30. Juni 2006.

1.1.1 Die Kündigung war sozia...

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